Die „Resolution zur Entwicklung einer EU-Fahrrad-Strategie” trage den Europaabgeordneten zufolge wesentlich zur Erreichung der Ziele des Europäischen Green Deals sowie des „Fit for 55“-Paketes für besseren Klimaschutz bei.
Radfahren in Deutschland immer noch rar
Und gerade die Deutschen haben in Sachen Radfahren mächtig Nachholbedarf. Denn laut einer Auswertung der Umweltorganisation Greenpeace investiert München jährlich nur 2,30 Euro pro Kopf in den Radverkehr, Köln 2,80 Euro, Hamburg 2,90, Berlin 4,70 Euro. In anderen europäischen Städten wie Kopenhagen dagegen sind es 35,60 Euro, in Oslo 70 Euro, in Utrecht sogar 132 Euro. Fast jede Fahrt wird dort inzwischen statt mit dem Auto mit dem Fahrrad zurückgelegt.
Und das soll sich auch EU-weit ändern. Fahrradfahren schont das Klima – die Zahl der mit dem Fahrrad zurückgelegten Kilometer in Europa soll bis 2030 auf 312 Milliarden Kilometer pro Jahr verdoppelt werden. Die Europaabgeordnete Karima Delli sagte: „Radfahren bringt so viele Vorteile mit sich: bessere Gesundheit, weniger Staus, lebenswertere Städte und so weiter. Bisher fehlte uns jedoch von den EU-Institutionen ein starkes Signal, das die zentrale Rolle des Radfahrens in unseren Gesellschaften anerkennt.“
Es gibt aber auch Hürden
Gleichzeitig verweisen die EU-Abgeordneten auf Hindernisse, die zum Problem werden könnten. So herrsche ein Mangel an gesicherten Abstellplätzen und Radwegen, es brauche auch mehr Synergien mit anderen Verkehrsträgern wie der Bahn. Dazu gehören auch mehr Abstellplätze in Zügen oder sicherere Parkmöglichkeiten an Haltestellen des ÖPNVs.
Neben der Ausrufung eines „Europäischen Jahrs des Fahrrads 2024“ sollen mit dem EU-Fahrradplan außerdem die Mehrwertsteuersätze für den Kauf, den Verleih und die Reparatur von Fahrrädern und E-Bikes gesenkt werden.
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Urlaub mit dem Rad
ADFC: Fahrradtourismus als Konjunkturprogramm
Urlaub mit dem Fahrrad ist Trend, sagt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club. Fast 5,5 Millionen Menschen haben 2019 Radreisen mit mehreren Übernachtungen unternommen. Weil sie pro Tag bis zu 100 Euro ausgeben, helfe das nicht nur Hotels oder Pensionen, sondern auch Hofläden entlang der Strecke.
Von Anja Nehls | 05.03.2020
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Die Tageszusammenfassung des Wirtschaftsgeschehens in 25 Minuten. Mit Einordnung, Hintergründen, Zusammenhängen und der Bedeutung für unsere Gesellschaft und Verbraucherinnen und Verbraucher.
Mit dem Fahrrad Deutschland entdecken – diese Art von Urlaub steht laut ADFC hoch im Kurs (Everton Vila/Unsplash)
Fahrradurlaub steht in Deutschland nach wie vor hoch im Kurs. Der neuesten ADFC-Radreiseanalyse zufolge haben im vergangenen Jahr fast 5,5 Millionen Menschen Radreisen mit mehreren Übernachtungen unternommen. Das reine Absolvieren von langen Strecken steht für die meisten Radler dabei nicht im Vordergrund. Es geht mehr darum, während der Radtour Städte und Sehenswürdigkeiten zu besuchen, zu baden und gut essen zu gehen. 70 bis 100 Euro geben Radreisende pro Tag aus. Die meisten übernachten während ihrer Radreise in Hotels oder Pensionen an der Strecke. Damit sei der Fahrradtourismus ein Konjunkturprogramm für die ganze Republik, so Frank Hofmann vom ADFC.
„Fahrradtourismus ist personalintensiv. Wir reden über Arbeitsplätze, die man nicht irgendwohin exportieren kann, die Übernachtungsbetriebe profitieren in großer Weise davon. Es gibt Regionen, die uns davon berichten, dass kleine Tante Emma Läden dadurch am Leben erhalten werden. Wir haben Hofläden von Bauern, die an Radfernwegen liegen, die davon leben, dass sie direkt etwas verkaufen und dort natürlich auch ihren Wirtschaftsbereich nahe bringen. Das ist eine sehr vielfältige Wirkung, die der Fahrradtourismus da ausstrahlt, für die regionalwirtschaftliche Entwicklung hat das hohe Bedeutung.“
85 Prozent der Radurlauber haben sich ihre Tour mithilfe von Apps oder Informationen aus dem Internet selbst zusammengestellt. Fast genauso viele wünschen sich allerdings mehr bereits ausgearbeitete Tourenvorschläge, die dann durch eine gute Beschilderung auch leicht nach zu radeln sind. Neben digitaler Infrastruktur spiele auch die analoge Serviceinfrastruktur weiterhin eine Rolle.
„Wer will den ständig aufs Handy gucken während einer schönen Radreise. Ich möchte die Landschaft genießen, ich möchte nach rechts und links gucken, ich möchte mich mit meinem Partner, meinen Kindern unterhalten auf einer Radtour oder Radreise. Das heißt verlässliche Wegweisung mit einem qualitativen Mindeststandard ist weiterhin das A und O.“
Vorbildlich in dieser Hinsicht ist der Weser Radweg. Der damit auch zum zweiten Mal in Folge der beliebteste Fernradweg in Deutschland ist. Auf Platz zwei und drei liegen der Elbe – und der Ruhrtalradweg.
Um zu attraktiven Startpunkten für eine Tour zu kommen, legt jeder zweite Freizeitradler inzwischen über 60 Kilometer zurück. 60 Prozent fahren dabei immer noch mit dem Auto, obwohl die Mitnahme des Fahrrads in Bussen und Bahnen eine immer größere Rolle spielt und auch in Zukunft spielen könnte. 70 Prozent der vom ADFC befragten Radler kritisieren allerdings, dass das Angebot der Bahn gerade im Fernverkehr nicht ausreiche. Immerhin habe die Bahn jetzt einen Anfang gemacht, so Frank Hofmann:
„Der ICE4 hat Fahrradabstellplätze, aber eben auch nur eine geringe Anzahl. Und gerade in der Saison – mit über 5 Millionen Fahrradtouristen – reden wir nur über einen sehr geringen Teil an Möglichkeiten im Fernverkehr. Es ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Deutschland, es ist ein wichtiges und umweltfreundliches Segment. Fahrrad und Bahn gehören an der Stelle zusammen und dem müsste man durch mehr Aktivitäten Ausdruck verleihen.“
90 Prozent der Radreisenden fahren auch im Alltag Fahrrad. Und wer im Urlaub einen Radausflug hinter sich hat, nutzt es danach auch häufiger für die tägliche Mobilität. Insofern befördere der Radtourismus einen Bewusstseinswandel, der dann auch die Mobilitätswende unterstütze, so Hofmann. Die Mobilitätswende brauche eben nicht nur mehr Radwege und bessere Bus und Bahnangebote:
„Wir wissen, im Wesentlichen findet sie im Kopf statt und nicht nur auf der reinen infrastrukturellen Ebene. Das Verhalten muss sich ändern.
Und das scheint, was die Zunahme der Fahrradnutzung betrifft, auch zu klappen. Der oder die durchschnittliche Radreisende ist 53 Jahre alt, Wochenendausflügler etwas jünger. Fast jeder Dritte nutzt inzwischen für die Tour ein Elektrorad, vor drei Jahren waren es noch nicht mal halb so viele.
Https://www. deutschlandfunk. de/urlaub-mit-dem-rad-adfc-fahrradtourismus-als-100.html
Europäischer Tag des Fahrrades: Ein Plädoyer für das Fahrradfahren
Umweltfreundliche Mobilität Ein Plädoyer für das Fahrradfahren
Rad fahren ist verblüffend einfach, dazu gesund und umweltschonend. Warum quälen sich viele Menschen trotzdem lieber mit dem Auto durch verstopfte Innenstädte? Ein Plädoyer von GEO. de-Redakteur Peter Carstens
Inhaltsverzeichnis
- Einfacher geht’s nicht Spielarten der Rücksichtslosigkeit Tipps
Einfacher geht’s nicht
Neulich allerdings musste ich mein Fahrrad für ein paar Tage in die Werkstatt geben. Das war schrecklich. Als ich morgens aus dem Haus trat und zu Fuß zur U-Bahn ging, fühlte ich mich, als hätte ich meine Hose vergessen. Natürlich fuhr die Bahn vor meiner Nase ab. Nutzloses Herumstehen folgte. Was für ein Gesicht setzt man da auf? Ein gleichgültiges? Andere bilden jeden Morgen Stop-and-go-Kolonnen mit ihren PKWs. Darf man da in der Nase bohren?
Solche Fragen stellen sich Radfahrer nicht. Für sie ist jede Sekunde Aktion und Reaktion, frische Luft, Duft von Lindenblüten, zumindest im grünen Hamburg. Das schont die Nerven, regt an, macht ausgeglichen und, im Krankenkassenjargon, die grauen Zellen munter. Die weiteren Vorteile des Fahrradfahrens sind hinlänglich bekannt: ein gesegnetes Alter und die Rettung des Klimas. Unstrittig ist, dass das Autofahren nicht nur auf kurzen Arbeitswegen überflüssig ist. Viele Besorgungen könnten ebenso gut mit dem Fahrrad erledigt werden. Man müsste es nur tun. 70 Millionen Fahrräder warten in deutschen Kellern darauf, bewegt zu werden.
Einfacher geht’s nicht
Einer der größten Vorteile des Radfahrens ist so offensichtlich, dass es fast peinlich ist, ihn anzuführen: Ich fahre direkt von der Haustür los und muss nicht erst rekonstruieren, wo ich gestern nach nervenzehrendem Im-Kreis-Fahren einen Parkplatz gefunden habe, der – genau besehen – etwas zu eng war. Wenn ich da bin, wo ich hinwollte, stelle ich mein Rad ab. Fertig. Autofahrer dagegen zahlen Monat für Monat gutes Geld für einen Stellplatz. Oder drehen morgens und abends ihre Runden.
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Hier fährt es sich besonders gut
Radfahren Die Top-Ten der fahrradfreundlichsten Städte Europas
Wenn ich Menschen frage, warum sie nicht radfahren, höre ich oft: „Bin einfach zu bequem.“ – Was soll denn daran bequem sein, sich jeden Tag an derselben Kreuzung zu ärgern, verschlafen und gereizt ins Büro zu hasten? Um nach Feierabend denselben Film mit Motorkraft rückwärts laufen zu lassen? Gott bewahre!
Andere Hinderungsgründe (zu kalt, zu nass, zu anstrengend) sind leicht als Scheinargumente zu entlarven: Gegen Regen und Kälte gibt es superleichte, wasser – und winddichte Hightech-Bekleidung, bei Gegenwind macht man sich klein und freut sich schon mal auf den Nachhauseweg. Nabendynamos, heute serienmäßig verbaut, machen das Fahren mit Licht zum geräuscharmen Leichtlauf-Genuss. Mit pannensicheren Reifen rollen wir ungestraft durch Scherbenhaufen.
Spielarten der Rücksichtslosigkeit
Manches aber, das soll nicht verschwiegen werden, nervt. Zum Beispiel alle Arten von Verkehrsteilnehmern, die mich beschimpfen, weil sie Verkehrsschilder nicht sehen oder verstehen oder in der Auslegung der Straßenverkehrsordnung unsicher sind. Jogger, die um die Alster rennen, auch auf dem Radweg, als ginge es um irgendwas. Hundeleinen, die zwischen Herr und Hund über den Radweg gespannt sind. Plötzlich aufspringende Autotüren. Blinde Rechtsabbieger. Überhaupt alle Übergangsformen zwischen Unaufmerksamkeit und Ignoranz.
Und, nicht zuletzt: dass „Verkehr“ für deutsche Verkehrsplaner immer noch gleichbedeutend ist mit „Autoverkehr“. Radler dagegen gelten als Lustreisende, die auf manchen Straßen geduldet, noch lieber aber auf separate Pfade umgelenkt werden, die sie „Radwege“ nennen. Dass die dafür verantwortlichen Minister und Senatoren nicht mit dem Rad zur Arbeit fahren, kann man an Erfindungen wie der „Anforderungsampel“ ablesen.
Während in Kopenhagen und Amsterdam die Radler in den Innenstädten auf der Grünen Welle schwimmen, werden sie in Hamburg mit dieser raffinierten Ampelschaltung ausgebremst. Die Bettelampel lässt an Kreuzungen Radfahrer stehen, während Autos in derselben Fahrtrichtung grün haben. Es sei denn, der Radfahrer hat rechtzeitig den Anforderungsknopf betätigt. Daher die unverdächtige offizielle Bezeichnung „Anforderungsampel“.
Das Rad der zukunftsfähigen urbanen Mobilität muss in manchen Stadtverwaltungen offenbar jeweils neu erfunden werden.
Tipps
- Beim Fahrradkauf darauf achten, dass das Rad einen Nabendynamo hat. Die sind absolut zuverlässig und laufen leicht. Pannensichere, „unplattbare“ Reifen, z. B. Schwalbe Marathon Plus gewähren unbeschwerten Fahrgenuss auch auf Sandwegen. Das Mitschleppen von Flickzeug entfällt damit. Auf den richtigen Luftdruck achten (Aufdruck auf der Flanke des Mantels)! Das macht das Fahren leichter und schont die Reifen. Die Kette sollte immer gut geölt sein, aber nicht vor Fett strotzen. Nach Regenfahrten abwischen und wieder ölen. Naben – oder Kettenschaltung? Das ist Geschmackssache. Die Nabenschaltung hat einen geringeren Wirkungsgrad, das Fahrrad tritt sich also schwerer. Dafür ist sie wartungsarm. An der Kettenschaltung ist viel einzustellen, zu ölen und zu putzen. Regendichte Kleidung und Gamaschen immer dabeihaben! Wann es wo regnet, verraten diverse Wettervorhersage-Sites, z. B. www. wetter-online. de. Für die Kurzfrist-Vorhersage ist das Niederschlagsradar praktisch. Absolut regendichte Packtaschen, z. B. von Ortlieb, leisten wertvolle Dienste.
Radwege: Weg mit den Buckelpisten!
Stadtregierungen, wie die in Hamburg, wollen den Anteil der Fahrradfahrer im Straßenverkehr erhöhen. Prima! Aber damit das funktioniert, müssen erstmal bessere Radwege her
Warum ist das Fahrrad eine der wichtigsten Erfindungen?
„Weil es ein umweltfreundliches Verkehrsmittel ist. Es macht auch ungeheuer viel Spaß, an warmen Tagen mit leichtem Rückenwind in Hamburg an Alster oder Elbe zu radeln. Gesund ist es außerdem noch“, meint Arno Nehlsen, ehemals Leiter der GEO-Dokumentation
Europa Mobilität in Städten: Fahrrad als Hauptverkehrsmittel
Das Fahrradfahren erfreut sich in Städten zunehmender Beliebtheit: Es nützt der Gesundheit, ist kostengünstig, leise und stellt aufgrund seiner Emissionsfreiheit einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende dar. Dennoch zeigen sich im EU-Vergleich nach wie vor große Unterschiede in der Fahrradnutzung. Im Vergleich Berlins mit den Hauptstädten der EU-Nachbarstaaten lagen Amsterdam und Kopenhagen 2019 weit vorn: Fast die Hälfte der Bevölkerung Amsterdams nutzte das Fahrrad als Hauptverkehrsmittel (48 %), gefolgt von Kopenhagen mit 43 %. Deutlich dahinter auf Platz 3 lag Berlin mit 25 %. In Paris gaben nur 13 % der Bevölkerung das Fahrrad als ihr wichtigstes Transportmittel an.
Um die Fahrradnutzung in der EU zu fördern, forderte das EU-Parlament im Februar 2023 die EU-Kommission mit einer Resolution auf, eine Radstrategie zu entwickeln.
Datenextraktion 30.03.2023. Befragt wurden Personen ab 15 Jahren. Die aktuellen Daten für 76 Städte sind in der Eurostat-Datenbank abrufbar.
Https://www. destatis. de/Europa/DE/Thema/Verkehr/Fahrrad_Staedte. html
Drei Städte in Europa zeigen Deutschland, wie der Verkehr der Zukunft aussieht
In den Niederlanden hat das Rad schon lange Vorfahrt, nun ziehen immer mehr Städte in anderen Ländern nach. Der Umbau trifft auch auf Widerstand. Doch was viele Autofahrer anfangs nervt, bringt neues Leben in die Stadt.
Groningen im Norden der Niederlande ist ein Eldorado für Radfahrer: Nur wenige Autos fahren durch die Stadt mit 240.000 Einwohnern. Wer stattdessen radelt, kommt schneller und dank der vielen Fahrradstraßen und Radschnellwege auch entspannt ans Ziel.
„In den 70er-Jahren sah das Zentrum von Groningen komplett anders aus als heute. In der gesamten Innenstadt waren Autos unterwegs“, erklärt der ehemalige Stadtrat für räumliche Entwicklung in Groningen, Roeland van der Schaaf. „Dann entwarfen wir einen Verkehrsplan, der die Innenbereiche in vier Teile aufteilt. Es war danach nicht mehr möglich, mit dem Auto von einem Teil der Stadt in den anderen zu kommen – nur zu Fuß oder mit dem Rad.“ Als eine der ersten Städte in Europa wurden in Groningen ganz neue Konzepte erprobt.
„Was für eine Art von Straße wollt ihr haben?“
Groningen gilt inzwischen als einer der glücklichsten Orte der Welt. „Wir fragen: Was für eine Art von Straße wollt ihr haben? Und nicht: Wo wollt ihr parken? Und die Leute sagen: Oh, ich hätte gerne eine Straße, wo die Kinder spielen können, wo es nett ist und ich Nachbarn treffen kann“, so van der Schaaf. „Wenn du mit dieser Frage startest, dann verändert sich die ganze Diskussion.“
FOCUS online Earth – unsere Klima-Marke
Der Klimawandel ist die Jahrhundertaufgabe der Menschheit. FOCUS online Earth zeigt, wie der Klimawandel uns heute schon betrifft – und welche Ideen es gibt, um die Wende zu schaffen. Alle Artikel von FOCUS online Earth finden Sie hier.
Weil Räder Vorfahrt haben, trägt kaum jemand einen Fahrradhelm, Unfälle sind selten und Kinder radeln ohne Elternbegleitung zur Schule. Dank der kostenlosen Fahrradparkhäuser und günstigen Leihräder kommen viele Pendler aus dem Umland bequem mit dem Rad vom Bahnhof zur Arbeit.
Immer mehr Städte übernehmen die erprobten Konzepte. So sperrt Barcelona in Spanien inzwischen einzelne Stadtquartiere, sogenannte Superblocks, für die Durchfahrt von Autos. Nur Anwohner und Lieferfahrzeuge können noch per Pkw in die Quartiere. Aus ehemaligen Straßenkreuzungen wurden grüne Plätze mit Bänken, Kinder spielen ohne Autogefahr und die Anwohner freuen sich über weniger Verkehrslärm.
„Die Vorteile überwiegen zweifellos bei Weitem“, so ein Vater, der einen Kinderwagen schiebt, gegenüber der DW. „Vor allem: Die Menschen bringen die Stadt wieder zum Leben! Die Leute haben wieder das Gefühl, die Straße gehört ihnen Und dadurch fühlst du dich viel lebendiger als vorher.“
Barcelona will bis 2030 insgesamt 500 Stadtquartiere umgestalten und jede dritte Straße für den Durchgangsverkehr sperren. Luftverschmutzung, Lärm und CO2-Ausstoß werden damit gesenkt, gleichzeitig verbessern sich die Lebensqualität und der Gesundheitsschutz, betont Janet Sanz, Barcelonas stellvertretende Bürgermeisterin.
„Wir brauchen in der Stadt mehr Platz für Fußgänger, zum Spielen, einfach zum Sein oder zum Arbeiten. Und wir brauchen auch mehr Platz für den öffentlichen Verkehr, zum Radfahren, um uns anders zu bewegen.“
Paris: Tempo 30 in der ganzen Stadt
Auch Paris setzt auf mehr Lebensqualität, nachhaltigeren Verkehr und Klimaschutz: Der individuelle Autoverkehr soll reduziert werden zugunsten von Fußgängern und Radfahrern. Zugleich wird das Metronetz auf 450 Kilometer verdoppelt. 12 Millionen Menschen leben in der französischen Metropole, sie ist die am dichtesten besiedelte Stadt Europas.
Früher stauten sich Autos auf der Stadtautobahn am Seineufer, nun wird hier gejoggt. „Der Autoverkehr ist hier komplett weg und nur noch Fußgänger und Radfahrer dürfen die Strecke nutzen“, erklärt Radfahrer Altis Play. „Das bringt viel Leben zurück.“
Vorangetrieben wird der Umbau von der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Seit ihrem Amtsantritt 2014 wurden über 1000 Kilometer Radwege angelegt und Tempo 30 in der ganzen Stadt eingeführt.
Um die Luftqualität zu verbessern, sollen zudem ab 2024 keine Dieselautos und ab 2030 keine Benziner mehr in Paris fahren. „Die Rolle des Fahrrads in einer Stadt wie Paris ist entscheidend. Private Autos sind unwichtig im Zentrum der Städte. Das tut mir leid für jeden Autofahrer, der glaubt, der öffentliche Raum ist nur für mein Auto da,“ findet der Pariser Stadtplaner Carlos Moreno.
„Kinder haben bisher keine Stimme“
Immer mehr Städte sperren Fahrstreifen, um dort Rad – und Fußwege zu schaffen. Vor allem vor der Umsetzung gibt es häufig Bedenken, und viele Autofahrer sind besonders am Anfang kritisch.
„Wir sehen bei all diesen Veränderungen auch viel Wiederstand von Menschen, wie immer bei Veränderungen. Wir müssen das ernst nehmen. Sie leisten Widerstand, weil manche etwas verlieren werden. Anderseits verlieren Kinder im Stadtverkehr seit Jahrzehnten ihre Freiheit, doch sie haben bisher keine Stimme“, sagt Professor Marco te Brommelstroet vom Fachbereich Urban Mobility Futures an der Universität Amsterdam.
Er vergleicht die derzeitige Diskussion mit den Debatten in den Niederlanden der 70er – und 80er-Jahre. Die Erfahrung in den Niederlanden macht ihn optimistisch, dass der Umbau auch anderswo gelingt. „Wir müssen denjenigen Menschen, die es wirklich brauchen, ein Auto ermöglichen. Aber andere Dinge, wie etwa die Freiheit, mit dem Privatfahrzeug so schnell wie möglich durch die Stadt zu fahren, ja, das wirst du verlieren,“ erklärt der Verkehrsexperte. „Im Gegenzug gewinnen so viele andere und auch man selbst. Wir müssen der schweigenden Mehrheit eine Stimme geben, die bislang schon seit Jahrzehnten verliert.“
Der Beginn der Revolution
„Die Revolution ist wirklich im Gange“, beschreibt Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission, den Trend zu mehr Fahrradverkehr. Während der Corona-Pandemie reduzierten viele Städte Fahrspuren für Autos. Fast einstimmig beschloss im Februar 2023 das Europäische Parlament, die Zahl der mit dem Fahrrad zurückgelegten Kilometer in der EU bis 2030 zu verdoppeln.
Die EU-Kommission will nun eine europäische Fahrradstrategie entwickeln, und das Jahr 2024 zu einem Europäischen Jahr des Radverkehrs erklären.
Nicht nur in Europa, auch weltweit nimmt der Radverkehr insgesamt zu, sagt Angela Francke, Professorin für Radverkehr und Nahmobilität in Kassel. „Das E-Bike hat sich durchgesetzt. Auch Menschen, die nicht so fit sind, können jetzt mit dem Pedelec Berge und längere Distanzen fahren. Ein Pedelec-Fahrer strahlt einfach nur, wenn er den Berg hochfährt und das schafft.“
E-Bikes förderten den Umstieg aufs Rad und helfen, viele Ziele in der Stadt schneller zu erreichen als mit dem Auto. „Die meisten Wege sind unter fünf Kilometer lang, und das Fahrrad ist das schnellste Verkehrsmittel.“
Nebenbei sei Radfahren nicht nur umweltfreundlich und halte fit, sondern es hat auch noch eine weitere entspannende Auswirkung, findet Francke. „Das gleichförmige Fahren, diese Pedalbewegungen wirken positiv, das hat mentale Effekte: Man bekommt den Kopf frei.“
Verkehrspolitik: Mehr Fahrrad wagen!
Abrupt endende Radwege, Baustellenblockaden, vorbeirauschende Autos: In deutschen Städten herrscht Fahrrad-Anarchie. Die Politik schaut weg. Dabei gibt es längst Beispiele, wie es besser gehen kann.
Fahrrad in der Stadt: Chaos auf den Radwegen und in der Politik.
Bild: imago images
Der weiße Transporter zischt nur wenige Zentimeter an meinem Rad vorbei, dann schert er scharf vor mir in die Spur. Ein paar Minuten später taucht von links ein Sportwagen auf, knapp hält er vor mir an der Kreuzung an. Es geht weiter über von Wurzeln nach oben gedrückte Pflastersteine. Slalomfahren um Passanten, die plötzlich vom Gehweg auf den schmalen Radstreifen wechseln. Schließlich endet der Radweg und wirft mich auf eine riesige Kreuzung – mitten hinein in das Gewusel aus Bussen, Fußgängern, LKWs und jeder Menge Autos.
Herzlich willkommen in der Fahrrad-Anarchie Deutschland. Genau 6,5 Kilometer misst die Strecke von meiner Haustür ins Büro durch Berlin. Es könnte ein ruhiger Weg sein, vorbei an Bäumen, Parks, Häuserreihen – ein entspannter Start in den Tag. Stattdessen: Gedrängel, Gehupe, Gefahr. Autofahrer schreien Radfahrer an. Radfahrer drängeln sich dreist zwischen Autos hindurch. Der Stresspegel steigt.
Leider ist der Weg durch Berlin keine Ausnahme. Ob Köln, Hamburg, München, Dresden, Düsseldorf, Stuttgart: In fast jeder deutschen Großstadt müssen sich Autofahrer, Passanten und Radfahrer jeden Tag durch solches Chaos auf den Straßen kämpfen. Es fehlt an klaren Beschilderungen, separaten Radwegen – und einem Konzept für die Zukunft der Mobilität in den Städten.
Im Trend: Radfahren
Fahrradfahren ist im Trend. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes stehen in deutschen Haushalten rund 68 Millionen Fahrräder – und etwa 80 Prozent der Menschen in Deutschland besitzen ein Rad, wie es beim Bundesverkehrsministerium heißt. Immer mehr Menschen steigen demnach gerne in den Sattel. Hinter dem Freizeittrend steckt aber noch mehr, als man denkt.
Wie gut ist es eigentlich um die Radwege in Deutschland bestellt?
Es geht, heißt es beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). „Einige vorbildliche Fahrradstädte gibt es schon in Deutschland“, sagt die Sprecherin des Vereins, Stephanie Krone. Dazu zählten etwa Karlsruhe und Potsdam. „In diesen Städten hat man verstanden, dass Fahrradfreundlichkeit ein Standortfaktor und mit hoher Lebensqualität verbunden ist.“ Durchgängige Radwegenetze, breite und gepflegte Radspuren, sichere Abstellplätze und ein fahrradfreundliches Verkehrsklima seien in Deutschland aber bislang eher die Ausnahme. Dass an dieser Stelle noch mehr getan werden muss, hat auch das Bundesverkehrsministerium erkannt: Nach Angaben der Behörde wurden die Mittel für die Radverkehrsförderung 2016 auf mehr als 100 Millionen Euro aufgestockt. „98 Millionen Euro stehen allein für den Radwegebau und die Erhaltung an Bundesstraßen zur Verfügung“, schreibt der Parlamentarische Staatssekretär Norbert Barthle im Fahrradmonitor 2015.
Wie sicher ist das Fahrradfahren?
Auch hier gibt es Verbesserungspotenzial: 2015 starben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 383 Radfahrer – nach 396 im Vorjahr zwar ein leichter Rückgang. Doch im Mehrjahrestrend sinken die Zahlen nicht. Der Radfahrer-Anteil an den Verkehrstoten ist seit 1991 von 8 auf 11 Prozent gestiegen. „Die schlimmsten Ärgernisse für Radfahrer sind zugeparkte, mit Pollern, Werbetafeln oder Baustellen versperrte Radwege“, sagt Krone. „Genauso gruselig: Die täglich erlebte, lebensgefährliche Zumutung, von Autos nur mit Haaresbreite überholt und womöglich auch noch angehupt zu werden.“ Auf die Sicherheit der Radler haben sich auch einige Unternehmen spezialisiert, die ihre Neuheiten seit Mittwoch bei der Radmesse Eurobike in Friedrichshafen am Bodensee präsentieren: So hat ein Hersteller beispielsweise ein System entwickelt, dass die Breite des Fahrrads anzeigen soll. Dabei werden die Leuchten außen am Lenker montiert und projizieren entsprechende rote Linien auf den Boden. Ob solche Systeme in Deutschland überhaupt zugelassen werden, ist laut Branchenexperte Gunnar Fehlau aber unklar: „Der deutsche Gesetzgeber hat eine sehr strikte Regelung für die Beleuchtung“, sagt Fehlau. Manchmal gebe es Lösungen von Unternehmen, die sehr spannend seien, aber in Deutschland schlicht nicht erlaubt.
Https://www. wiwo. de/politik/deutschland/verkehrspolitik-mehr-fahrrad-wagen/19956772.html
In welchen europäischen Städten fährt fast jeder mit dem Fahrrad
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In Borken fährt fast jeder Fahrrad. Alle Bevölkerungs – und Altersgruppen schätzen das Fahrrad als Verkehrsmittel für die täglichen Wege. Aus der Mobilitätsuntersuchung des Kreis Borken (2015) ist bekannt, dass 30 % der Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt werden.
Die Vorzüge des Radverkehrs sind unglaublich vielfältig. Überzeugen Sie sich selbst und setzen Sie sich beim nächsten Mal auf den Sattel:
- Radverkehr ist gut für die Radfahrenden, denn mit dem Rad kommt man schnell von A nach B. Dazu ist Radfahren preiswert und gesund. Schon 30 Minuten Radfahren täglich verringern das Risiko schwerer Erkrankungen drastisch.
- Radverkehr ist gut für die Umwelt, denn ein Fahrrad erzeugt keinen Lärm und kein CO².
- Radverkehr ist gut für die Autofahrenden. Stellen Sie sich nur mal vor, dass alle Radfahrenden mit dem eigenen Auto in Borken unterwegs wären. Gerade zu den Stoßzeiten wären sehr lange Staus die unausweichliche Konsequenz. Einige Gruppen (z. B. Speditionen, Handwerker) und mobilitätseingeschränkte Menschen können allerdings nicht jeden Weg mit dem Rad zurücklegen. Für diese Gruppen bleibt dank der Radfahrenden genügend Straßenraum, um sich motorisiert fortzubewegen.
- Radverkehr ist gut für den Einzelhandel. Es ist in vielen wissenschaftlichen Studien belegt worden, dass Radfahrende zwar pro Einkauf weniger Geld ausgeben, dafür aber deutlich häufiger die Geschäfte aufsuchen. In der Jahressumme sorgen Radfahrende für höhere Umsatzzahlen als Autofahrende.
- Radverkehr ist gut für städtischen Haushalt, also für alle Bürgerinnen und Bürger einer Stadt. Der Bau und die Unterhaltung der Radverkehrsinfrastruktur sind deutlich kostengünstiger als für den motorisierten Verkehr. Eine Studie aus Kopenhagen belegt außerdem, dass Radfahrende der Gesellschaft pro Kopf und zurückgelegtem Kilometer 16 Cent einsparen. Autofahrende verursachen hingegen Kosten in Höhe von 15 Cent pro Kopf und zurückgelegtem Kilometer.
Daher will die Stadt Borken den Radverkehr fördern. Die wichtigsten Maßnahmen sind die Umgestaltung von Stadtstraßen in Fahrradstraßen. Dazu gehört auch die Anbindung der Ortsteile für ein schlüssiges Radverkehrsnetz, die Bevorrechtigung von stark frequentierten Kreuzungspunkten und der Rückbau von Hindernissen, sowie die Planung von ausreichenden Regelbreiten bei Ausbau und Sanierungsprojekten. Die Stadt Borken ist seit 2020 Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft fußgänger – und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW – AGFS.
VI. Mobilität
Die Niederlande sind das China Europas. Nirgendwo anders in der europäischen Union wird im Verhältnis zur Anzahl der Bevölkerung mehr Fahrrad gefahren als in den Niederlanden. Fast jeder Holländer besitzt ein Fahrrad. In den Niederlanden sind doppelt so viele Fahrräder wie Autos registriert. 15.000 Kilometer Radwege gibt es hier. Und doch fahren immer noch genug Autos herum. Etwa acht Millionen sind es zurzeit, die über die 2.400 Kilometer niederländischer Straßen und Autobahnen rollen und die Luft verunreinigen. Das gefällt immer weniger Niederländern. Einer aktuellen Studie des Marktforschungsinstituts Arachnea in Leiderdorp zufolge werden Umweltaspekte für die Mobilität in den Niederlanden zunehmend wichtiger. Für mehr als die Hälfte der in dieser Studie befragten 1.400 Personen sind Umweltaspekte so ausschlaggebend, dass sie eher mit dem Zug als dem Auto fahren. 43 Prozent der regelmäßigen Zugfahrer denkt durch die immer wiederkehrenden Diskussionen über Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein stärker über die Klima-Problematik nach als früher. Im Durchschnitt ist der CO2-Ausstoss eines Reisekilometers per Zug zwei Drittel geringer als der eines Reisekilometers per Auto. Dies ist der Studie zufolge der Hauptgrund, warum Niederländer das Verkehrsmittel Zug benutzen.
Im Durchschnitt drei Mal jährlich fahren die Niederländer in die Ferien – die Hälfte davon ins Ausland. Umweltbewusste Niederländer schauen deswegen vor ihrer Reise auf ökologische Reisewebsites (zum Beispiel www. adviesmodule. nl), um zu vergleichen, welche Art des Reisens verbunden mit dem Reiseziel am wenigstens CO2 produziert. Wer als Niederländer aber wirklich etwas tun will, greift auf das zurück, was in den Niederlanden ohnehin am populärsten ist: Fahrrad fahren – durchaus auch für lange Strecken. Ein Viertel der über acht Millionen werktätigen Niederländer fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit. Und dabei kommt sogar nun das früher nur bei Senioren gebräuchliche Fahrrad mit Akkumotor in Mode. Der Verkauf des elektrischen Fahrrads ist zuletzt enorm gestiegen. Waren es vor zwei Jahren noch 45.000 Stück, stieg im vergangenen Jahr die Zahl auf 90.000. Heute besitzen 3,5 Prozent der Niederländer ein „elektrische fiets“. Es fährt etwa 25 Kilometer pro Stunde und kostet zwischen 800 Euro und 3.000 Euro.
Auch das wohl zuletzt meistbesprochene „Segway“ findet bei den Niederländern Anklang. Dieses selbst balancierende, elektronisch angetriebene Einpersonenfahrzeug ist umweltfreundlich, unabhängig von Benzin, da sich die Batterien mit einem einfachen Aufladegerät (notfalls per Steckdose) füttern lassen und die Betriebskosten von wenigen Cent pro Tag bezahlbar sind. Auch das „brommobiel“ ist mittlerweile vor allem für die Jüngeren eine Alternative, allerdings kosten diese motorisierten Fahrräder bis zu 10.000 Euro, fahren dafür aber auch 45 Kilometer pro Stunde.
Die Städte nehmen das Problem der Verschmutzung durch Autos immer ernster. In Amsterdam hat er eine rigide „Knöllchen-Politik“ dafür gesorgt, dass das Parken in der Innenstadt immer schwieriger und teurer und die Stadt infolgedessen ein wenig autofreier wurde. Im Mai 2008 schlossen sich schließlich Amsterdams Stadtverwaltung und verschiedene Betriebe zusammen, um ihre Stadt zu einer nachhaltigen mobilen Zone zu entwickeln und dies international zu vermarkten. Das Fahrrad soll dabei Amsterdams nachhaltige Mobilität symbolisieren. Zu den an dieser gemeinsamen Initiative beteiligten Betrieben und Einrichtungen gehören MacBike, Velo Mondial, JCDecaux Nederland B. V., Canal Company, der Fietsersbond und Advier B. V. / Velotaxi. Vorgesehen sind öffentlichkeitswirksame Aktionen auf internationalen Messen oder ein internationaler Preis für die nachhaltigste mobile Stadt. Außerdem gibt es eine Amsterdamer Ideenplattform und den Plan, zusammen mit Amsterdamer Wissenschaftseinrichtungen ein wissenschaftliches Institut für nachhaltige Mobilität einzurichten. Zu den Aufgaben dieses Instituts könnte die Organisation von Weiterbildungskursen („Masterclass“) und ein Programm für internationale Fachleute gehören.
Einführung einer Mautgebühr geplant
Was das Auto und seine Nutzung angeht, stehen die Niederlande vor einer Revolution. Was in Deutschland unmöglich erscheint, nämlich eine Mautgebühr auch für Personenkraftwagen, scheint in den Niederlanden bald schon Realität werden zu können. Mit der Einführung des so genannten „Nouwen-Plans“ ist vorgesehen, dass für jeden gefahrenen Kilometer auf den niederländischen Straßen bezahlt wird. Die Höhe der Maut ist abhängig von der Schadstoffemission, der Tageszeit und der gefahrenen Strecke. Bis spätestens 2016 sollen alle Lastwagen sowie Personenfahrzeuge und möglicherweise auch Motorräder mit einem elektronischen Abrechnungssystem ausgestattet sein.
Der Weg zu dieser Maut-Lösung war lang. Ein Vierteljahrhundert dauerten die Diskussionen und Streitereien, die das Verkehrsministerium mit der Autolobby durchkämpfte. Die täglichen Staus verursachten zwar einen erheblichen Leidensdruck – jeden Morgen verstopfen 160 Kilometer Stau die Straßen der Niederlanden, abends sind es 180; und die Volkswirtschaft kostete das rund 1,8 Milliarden Euro im Jahr – , dennoch stießen alle Konzepte, den Stau mit einer Straßenmaut zu bekämpfen, bisher quer durch alle Bevölkerungsgruppen auf breite Ablehnung. Die Zeit für eine Idee eines nationales Maut-Konzepts, das „ehrlich und transparent ist, Stauprobleme vermeiden hilft und die Umweltbelastung vermindert“, scheint nun reif zu sein. Im Dezember 2007 beschloss die Regierung, die landesweite Maut umzusetzen. Im Juli 2008 stimmte das Parlament zu. Der erreichte Konsens ist bemerkenswert. Denn ein solches von den Niederländern geplante Maut-System existiert bisher noch nicht. In seiner radikalen Form ist es weltweit bisher einzig. Zudem – und das sei ein vor allem in Richtung deutsche Autolobby und Politik gesagt – wurde das aktuelle Maut-Konzept nicht in Ausschüssen zerredet, sondern fand tatsächlich eine politische Mehrheit.
Zurzeit arbeiten die Niederländer an der konkreten Gesetzesvorlage und der Ausschreibung für die technische Realisierung. Der Maut-Plan sieht vor, dass jeder motorisierte Verkehrsteilnehmer für jeden gefahrenen Kilometer auf jeder Straße in den Niederlanden zahlen muss. Damit wird quasi – wie bei Strom und Heizung – nach Verbrauch abgerechnet. Die verbrauchsabhängige Besteuerung ließe sich zwar auch ohne jeglichen technischen Aufwand über eine Sprit-Steuer realisieren. Doch das nun verabschiedete Modell vermeidet den Tanktourismus und kann sowohl Stau – als auch Umweltprobleme besser regeln. Der Tarif ist variabel, je nach Schadstoffemissionen, Tageszeit und gefahrener Strecke. Wer frühmorgens auf den Hauptrouten nach Amsterdam fährt, zahlt mehr als der Rentner in einer Kleinstadt auf dem vormittäglichen Weg zum Supermarkt.
Die Maut soll prinzipiell auch für Motorräder und ausländische Fahrzeuge gelten. Wie das in der Praxis technisch gelöst wird und wie hoch die Gebühren genau ausfallen werden, ist noch nicht vollständig ausdiskutiert. Es könnte mit Hilfe eines satellitenbasierten Erfassungssystem mit einer entsprechenden Erkennungsbox in jedem Fahrzeug umgesetzt werden. In zwei Jahren sollen zunächst die eine Million niederländischer Lastwagen mit dem neuen System ausgestattet werden, bis 2016 dann sukzessive die acht Millionen Pkws des Landes.
Neben dem technischen Aufwand bedeutet die Einführung einer Maut auch eine mentale Umstellung für die niederländischen Verkehrsteilnehmer – schließlich gab es im dem Land bisher nicht einmal kostenpflichtige Autobahnabschnitte. Im Vorfeld der Einführung werden also etliche Kampagnen unternommen werden müssen, um auch die Bevölkerung vom Sinn und Nachhaltigkeit der Maut zu überzeugen. Unmöglich wird das nicht sein, denn die Maut bringt nicht unbedingt nur finanzielle Nachteile für die Autofahrer. Ein Grund nämlich, dass das Konzept eine Mehrheit fand, ist, dass es die Abgaben ersetzen soll, die bisher in Form von Steuern für Kauf und Besitz eines Autos erhoben wurden und noch werden. Die Aufklärungskampagnen werden also auch dafür sorgen, dass bei der Bevölkerung nicht das Gefühl aufkommt, abgezockt zu werden. Insgesamt will der Staat zunächst einmal nicht mehr einnehmen als bisher – für die Zukunft sind Maut – oder Abgabenerhöhung freilich nicht ausgeschlossen.
In Deutschland bleibt jede Art von Maut für Personenkraftwagen vorerst wohl tabu. Auch die City-Maut – das ist bedauerlich, denn in den deutschen Städten wird das Verkehrsaufkommen immer mehr steigen und zu einem der großen Stadt-Probleme werden. Zwar wird in vielen Bundesländern von Verkehrsplanern und Kommissionen die City-Maut diskutiert und empfohlen, politisch allerdings konnte sie sich noch nicht durchsetzen – zu stark ist die Autolobby, zu wichtig ist der Politik die Zentralbranche Automobil. Die Niederlanden könnten da vielleicht ein passendes Vorbild sein.
Autor: Martin Roos
Erstellt: Juni 2009
Https://www. uni-muenster. de/NiederlandeNet/nl-wissen/wirtschaft/biowirtschaft/mobilitaet. html
Auf den Straßen ist es eng
In vielen Städten in Deutschland wird der urbane Verkehr neu ausgehandelt, im Mittelpunkt dürfte künftig nicht mehr das Auto stehen.
Er Oeder Weg in Frankfurt ist ein Ort des großstädtischen Müßiggangs. Wer die Nebenstraße nördlich der Innenstadt aufsucht, findet allerlei Restaurants, eine Kleinstbrauerei, ein Fischgeschäft, Boutiquen und andere Fachgeschäfte. Seit dem Sommer sorgt der Oeder Weg allerdings bei manchen eher für Aufwallungen als für Entspannung. Denn in der fünftgrößten Stadt Deutschlands soll diese Straße für den Autoverkehr unattraktiver werden, um mehr Fußgänger und vor allem Radfahrer anzuziehen. So lautet das Ziel der Frankfurter Verkehrsplaner.
Um das zu erreichen, ist nun probeweise die Einfahrt in die Straße von Süden her für Autos gesperrt. Zudem sollen rund 80 von 205 Parkplätzen wegfallen und Platz machen für Außengastronomie oder Pflanzkübel. Signalrote Flächen sollen an die Radfahrer erinnern, Fahrradschutzstreifen gibt es ebenso. Was den meisten Zweiradfahrern ein erhöhtes Sicherheitsgefühl geben dürfte, erzürnt Händlerinnen und Gewerbetreibende am Oeder Weg. Sie fürchten, ihre autofahrenden Kunden zu verlieren.
Wie das Experiment dort und an zehn weiteren zu „fahrradfreundlichen Nebenstraßen“ deklarierten Strecken in Frankfurt ausgehen wird, ist offen. Doch wirft es ein Schlaglicht auf eine Entwicklung, die sich in ganz Deutschland vollzieht. Immerhin soll die Bundesrepublik bis zum Jahr 2030 zum „Fahrradland“ werden, wie der noch amtierende Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im Frühjahr angekündigt hatte.
Unter anderem sollen im Rahmen des „Nationalen Radverkehrsplans 3.0“ neue Radwege entstehen, Radschnellverbindungen eingerichtet und generell mehr Rücksicht auf Zweiräder genommen werden. Der Radverkehr soll stark zunehmen und gleichzeitig sicherer werden. Wo seit den Fünfzigerjahren das Auto im Mittelpunkt der meisten städte – und verkehrsplanerischen Überlegungen stand, soll zukünftig das Fahrrad mehr Raum einnehmen. Die Frage, wem die Stadt gehört, wird ein Stück weit neu verhandelt.
Dabei gibt es heute schon deutlich mehr Fahrräder als Autos in Deutschland. Rechnerisch hat fast jeder Deutsche ein Fahrrad, während sich dem Statistischen Bundesamt zufolge im Jahr 2019 je 1000 Einwohner 569 Personenkraftwagen teilten. Innerhalb der Europäischen Union gab es laut dem europäischen Automobilherstellerverband Acea in Luxemburg, Italien, Polen, Estland und Slowenien zuletzt mehr Fahrzeuge je 1000 Einwohner. Allerdings dürfte es sich bei den meisten der rund 80 Millionen Fahrräder in Deutschland um Fortbewegungsmittel handeln, die die Halter vor allem in ihrer Freizeit nutzen. Wenn es zum Beispiel um den Weg zur Arbeit geht, spielt das Fahrrad bisher eine untergeordnete Rolle. Zwei Drittel der Deutschen fahren mit dem Auto zur Arbeit, 13 Prozent nehmen Bus oder Bahn. Das Fahrrad wählten dagegen nur 10 Prozent, wie das Statistische Bundesamt vor Kurzem feststellte.
Dieser Fokus auf das Automobil zeigt sich in vielen Innenstädten. Es ist voll auf den Straßen, und es geht nur langsam voran. In Städten wie Köln, München, Hamburg oder auch Frankfurt kann das Auto zu Stoßzeiten auf Hauptverkehrsstraßen seine potentielle Geschwindigkeit im Durchschnitt nicht annähernd ausschöpfen. Die Folge sind verlorene Zeit und verlorenes Geld. Laut dem Verkehrsdatenanalyseunternehmen Inrix summierte sich der Zeitverlust im vergangenen Jahr zum Beispiel in München im Durchschnitt auf 65 Stunden. Das war zwar rund ein Viertel weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019 – gleichwohl kostete die Wartezeit einen durchschnittlichen Fahrer immer noch 585 Euro.
Der dichte Verkehr in den Großstädten dürfte auch eine Rolle spielen, wenn es um die Stimmung auf den Straßen geht. Denn die ist schlecht, egal ob nun Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger sie bewerten. Gut 60 Prozent der Automobilisten empfinden die Atmosphäre unterwegs als stressig, etwa die Hälfte der Radfahrer fühlt dasselbe. Fußgänger sind laut einer aktuellen Umfrage des Autofahrerklubs ADAC vor allem von Fahrern der elektrisch angetriebenen Stehroller genervt, gefolgt von Radfahrern und Autofahrern. Das dürfte allerdings auch damit zusammenhängen, dass Menschen, die zu Fuß unterwegs sind, sich ihre Routen nur sehr selten mit Autos teilen müssen, während sie Radlern und Rollerfahrern häufig begegnen: Rad – und Fußwege liegen oft nah beieinander, Bürgersteige werden in Bereiche für beide Fortbewegungsarten aufgeteilt – oder auch nicht. Fest steht, dass es auf deutschen Straßen für Fahrradfahrer vergleichsweise gefährlich ist. Im Vergleich mit Städten wie Kopenhagen oder Amsterdam verunfallen hierzulande Fahrradfahrer deutlich häufiger. In Dänemark und den Niederlanden steht der Radverkehr schon lange stärker im Zentrum der Verkehrsplanung.
Sicher abgetrennte Radwege, Überführungen für Radfahrer und andere dezidierte Rad-Infrastruktur sieht man in deutschen Städten bislang selten. Viele Städte versuchen stattdessen, die Einfahrt für Autofahrer unattraktiver zu machen, indem sie die Kosten dafür erhöhen. In den größten Städten Deutschlands ist es für eine Einzelperson günstiger, eine Tageskarte für den öffentlichen Nahverkehr zu kaufen, als ein Auto für vier Stunden in der Innenstadt zu parken. Für Besucher, die von weiter her kommen, fällt die Rechnung gleichwohl anders aus, da sie auch die Kosten für die Fahrt in die Stadt einbeziehen oder darauf hoffen müssen, einen günstigen Park-and-ride-Parkplatz zu finden, um von dort aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins Zentrum weiterzufahren.
In Frankfurt, wo gerade die fahrradfreundlichen Nebenstraßen entstehen, setzt die Stadtverwaltung auch am Hebel des Parkraumangebotes an. Die Parkplätze in der Innenstadt werden nicht mehr werden, stellt sie klar. Schließlich sei die Innenstadt hervorragend durch den öffentlichen Personennahverkehr erschlossen und aus den benachbarten Stadtteilen auch bequem zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen. Da „das Straßennetz nur eine begrenzte Kapazität“ aufweise, könne „das Parkraumangebot nicht restriktionsfrei sein“, heißt es. Die Frage, wem die Stadt künftig gehört, wird nicht nur in Frankfurt weiter verhandelt werden. Im Mittelpunkt dürfte nicht mehr das Auto stehen.