Müde Spermien

Bei bis zu einem Drittel der jungen, scheinbar potenten Männer ist eine verminderte Spermaqualität festzustellen. Eine Schwangerschaft auf natürlichem Weg wird damit weniger wahrscheinlich.

Männer sind empfindlich. Harnwegsinfekte, Infektionen mit Chlamydien, Mumps und viele andere Infektionskrankheiten können Entzündungen an Samenleitern, Samenbläschen, Prostata, Hoden – und Nebenhoden auslösen. Das kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen, indem etwa die Hoden geschädigt oder die Samenleiter verschlossen werden. Organische Veränderungen wie Hodenhochstand, Tumore und Verletzungen können den Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit herbeiführen, ebenso wie jene Autoimmunerkrankung, die die körpereigenen Spermien mit Antikörpern angreift. Häufig sind Umwelt – und Lebensstileinflüsse schuld an der schwindenden Qualität der Samenzellen, behauptet der Linzer Allgemein – und Sexualmediziner Dr. Georg Pfau. Die Hälfte der unfruchtbaren Männer wären zeugungsfähig, würden sie auf Alkohol verzichten. Alle Suchtgifte einschließlich Nikotin stören die Spermienproduktion, deren Reifung, Beweglichkeit und Lebensfähigkeit. Das gilt auch für einige Psychopharmaka.

Vor allem aber setzt das – weibliche – Hormon Östrogen dem Mann zu. Die Antibabypille, von Frauen millionenfach eingenommen, gelangt über den Harn ins Grundwasser und so auch in den männlichen Organismus. Pestizide gegen landwirtschaftliche Schädlinge – auch sie wirken ähnlich wie Östrogene. Vielleicht sind deshalb unter der Landbevölkerung mehr Männer mit schlechter Spermaqualität zu finden als in der Stadt, meint Dr. Georg Pfau. Darüber hinaus kritisieren Umweltschützer die Allgegenwart der Umweltchemikalie Bisphenol A, eines Weichmachers, der unter anderem in PET-Flaschen und Kassenbons enthalten ist und dem ebenfalls eine hormonähnliche Wirkung nachgesagt wird. Zur Östrogenbelastung des Mannes trägt auch zu üppige Ernährung bei. Je mehr Fett am Mann, desto mehr Östrogene in ihm, weil seine Fettzellen körpereigenes Testosteron in Östrogen verwandeln.

Nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zig Kilometer strampeln – ein gesunder Sport mit problematischer Kehrseite. Erstens sitzt Mann auf dem Sattel mit dem hinteren Schwellkörper auf, was einer Erektion langfristig abträglich sein kann. Zweitens sind die figurbetonten, hautengen Radlerhosen wahre Samenkiller.

Die Hoden hängen nicht zufällig frei im Schritt, sondern weil sie so praktisch rundum belüftet sind. Die Spermien fühlen sich knapp unter der Körpertemperatur bei 34 bis 35 Grad am wohlsten – bleiben frisch, beweglich und aktiv. Enge Unterwäsche und Hosen, vor allem eben die superengen Bikershorts, pressen die Hoden dicht an den Körper, wo sie sich schnell überhitzen. Das droht auch im heißen Bad und in der Sauna. Auch sportliche Höchstleistungen wie etwa ein Marathonlauf tun den Spermien nicht gut.

Die Varikozele ist eine fast nur links auftretende Krampfader der Hodenvene, die zum Wärmestau im betroffenen Hoden führt. Die Funktion des rechten Hodens reicht beim gesunden jungen Mann aber zur Zeugungsfähigkeit. Varikozelenoperationen zur Sicherung der Fruchtbarkeit werden kaum mehr durchgeführt.

Die beste Spermaqualität entwickelt ein Mann bei zwei Ejakulationen pro Woche mit dazwischen jeweils rund drei Tagen Abstinenz. Bleibt das Sperma länger im Körper, nimmt die Beweglichkeit der Spermien rasch ab. Zu häufige Ejakulationen wiederum dienen der Zeugungsfähigkeit nicht, weil der Hoden Zeit braucht, um genug hochwertiges Sperma zu bilden.

Fruchtbarkeit und Samenmenge hängen nicht unbedingt von der Ejakulatmenge ab. Es kommt auf die Zahl der Spermien pro Milliliter und deren Eigenschaften an. Die größte Flüssigkeitsmenge des Spermas, nämlich rund zwei Drittel, stammt aus den Samenblasen: ein alkalisches Sekret mit hohem Fruktoseanteil als Energiequelle für die Spermien. Rund 30 Prozent des Ejakulats steuert die Prostata bei – ihr Sekret wirkt unter anderem bewegungsauslösend. Die in den Hoden erzeugten Spermien reifen in den Nebenhoden nach und werden von dort aus beigemischt. Von Millionen Spermien gewinnt nur eines, nämlich das stärkste, beweglichste, kraftvollste, das etwa 20 Zentimeter lange Rennen bis zur Eizelle.

Ein Spermiogramm ist in jedem Erwachsenenalter durchaus angezeigt, wenn sich der Kinderwunsch nach einem Jahr ungeschütztem, regelmäßigem Verkehr noch immer nicht erfüllt hat. Diese problemlose Untersuchung ist wichtig, bevor der Partnerin belastende Eingriffe zugemutet werden. Aber Achtung: Nach dem Absetzen der Pille können noch mehrere Monate bis zur Empfängnisbereitschaft vergehen!

In ruhiger Privatsphäre in der Ordination produziert der Klient nach drei Tagen sexueller Abstinenz das zu untersuchende Sperma. Es wird sorgfältig aufgefangen, sofort gründlich durchmischt, verflüssigt und verdünnt. In einer speziellen Zählkammer unter dem Mikroskop können so einzelne Spermien gezählt und deren Zahl pro Milliliter Ejakulat hochgerechnet werden. Gerinnung des Spermas, Anteil von lebenden Spermien, Reifegrad, eventuelle Fehlbildungen von Kopf-, Hals – und Schwanzstück und Fortbewegungsstil werden beurteilt. Nach einer Stunde wird erneut gezählt. Für einen aussagekräftigen Befund wird frühestens nach einer Woche mindestens ein weiteres Spermiogramm erstellt. Das Ergebnis kann nach acht verschiedenen Kategorien benannt werden – von der normalen Fruchtbarkeit (Normozoospermie) über die mehr oder weniger eingeschränkte Fruchtbarkeit mit der Chance, vielleicht mithilfe der Reproduktionsmedizin ein Kind zu zeugen, bis zur Azoospermie, dem völligen Fehlen von Spermien. Therapien gegen die Unfruchtbarkeit können nur bei ursächlich hormonellen Störungen greifen. Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel sollen unterstützend wirken, um die Fruchtbarkeit nach Möglichkeit zu verbessern. Das Wichtigste ist ein gesunder Lebensstil – zusammen mit viel Geduld.

Wirkt sich Mountainbiking auf die Spermien aus

Hodengewebe eines jungen Mannes – die großen ovalen Strukturen sind Querschnitte der Samenkanälchen. Die Spermaproduktion beginnt mit den Ursamenzellen nahe der violetten Außenmembran; reife Spermien werden durch die Kanalmitte abgeführt (Abb.: CeRA)

Münster (mfm/tw) – Samen von Teenager-Vätern weisen überraschend viele Erbgutveränderungen auf, außerdem finden sich bei Spermien junger Männer allgemein deutlich mehr Mutationen als bei Eizellen gleichaltriger Frauen. Das könnte erklären, warum Babys sehr junger Eltern vergleichsweise häufig von Geburtsdefekten betroffen sind. Entsprechende Studienergebnisse von Forschern aus Münster, Cambridge und Salzburg sind am Mittwoch [18.02.] im britischen Fachjournal Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht worden. Eine Untersuchung von 24.097 Eltern und ihren Kindern zeigt, dass die Kinder von Teenager-Vätern unerwartet viele DNA-Mutationen aufweisen. „Die Samen von Teenagern haben offenbar rund 30 Prozent mehr Erbgutveränderungen als die von 20 Jahre alten Männern“, erläutert Prof. Heidi Pfeiffer, Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin an der Uniklinik Münster. „Das ist ein möglicher Grund dafür, dass Kinder von Teenager-Eltern ein höheres Risiko für Autismus, Schizophrenie, Spina Bifida (Wirbelspalt), geringes Geburtsgewicht und sonstige Geburtsdefekte haben.“ Insgesamt kommen etwa eineinhalb Prozent der Babys erwachsener Eltern mit Geburtsfehlern zur Welt. Für die nun veröffentlichte Studie haben die Forscher Mikrosatelliten untersucht, das sind sehr kurze DNA-Sequenzen, die sich im Erbgut eines Organismus mehrfach unmittelbar hintereinander wiederholen. Veränderungen in den Mikrosatelliten treten bei der Zellteilung häufig auf, etwa eine Wiederholung der Sequenz mehr oder weniger gegenüber der Vorlage. Weil die entsprechenden DNA-Abschnitte nicht als Bauplan für Proteine dienen, wirken sich Veränderungen nicht auf die Erscheinung oder Gesundheit eines Lebewesens aus. Wissenschaftler können Mikrosatelliten als Zellzykluszähler nutzen: Der Vergleich etwa zwischen DNA-Abschnitten in einer Ei – oder Samenzelle und den entsprechenden Abschnitten im elterlichen Erbgut ermöglicht es, abzuschätzen, wie viele Zellteilungen dazwischen stattgefunden haben. Bei Frauen liegen zwischen der Empfängnis des weiblichen Embryos und der Ausbildung der Ur-Eizellen etwa 22 Zellteilungen. Schon kurz nach der Geburt eines Mädchens sind alle Ur-Eizellen ausgebildet, aus diesem endlichen Fundus entwickeln sich bis zu den Wechseljahren die reifen Eizellen. Bei Männern dagegen bilden sich im Lauf des Lebens immer neue Ur-Samenzellen. Dass ältere Männer eine deutlich erhöhte Anzahl von Erbgutmutationen in ihren Spermien aufweisen, ist leicht zu erklären: Durch die kontinuierlichen Zellteilungen sammeln sich zeitlebens immer mehr Mutationen an. Ein überraschendes Ergebnis der aktuellen Studie ist, dass sich schon bei Teenager-Vätern fast sieben Mal so viele Mutationen in den Mikrosatelliten finden wie bei Teenager-Müttern. Nimmt man an, dass die Veränderungsrate bei beiden Geschlechtern gleich ist, führt das zu einem überraschenden Schluss: Auf dem Weg von der Empfängnis eines männlichen Embryos bis zum Spermium beim Jugendlichen wären rund 150 Zellteilungen nötig, um die Mutationen zu erklären. Bisher ist die Zahl der Zellteilungen bis zu diesem Zeitpunkt auf rund 30 geschätzt worden. In den Jahrzehnten nach der Pubertät erhöht sich die Zahl der DNA-Mutationen viel langsamer als bisher erwartet, bei 50 Jahre alten Männern liegt sie 30 Prozent höher als bei Teenagern. Diese langsame Mutationsrate lässt sich durch ein Reservoir an speziellen Stammzellen erklären, die sich nach der Pubertät kaum noch verändern und aus denen sich Samenzellen über Zwischenstufen entwickeln.„Dass Spermien von Teenager-Vätern nicht nur gegenüber den Eizellen gleichaltriger Frauen, sondern auch gegenüber den Spermien 20 Jahre alter Männer mehr Mutationen aufweisen, wird durch die These unerwartet vieler Zellteilungen noch nicht erklärt“, sagt Pfeiffer. „Vielleicht ist der DNA-Vervielfältigungsmechanismus zu Beginn der männlichen Pubertät besonders fehleranfällig.“ Die Forschung in Münster fand am Institut für Rechtsmedizin der Universität und am privaten Institut für Forensische Genetik (Leitung: Prof. Dr. Bernd Brinkmann, früherer Direktor des Instituts für Rechtsmedizin) statt.

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