Von den Cliffs of Moher in Irland nach Larne in Nordirland

Über Radelmädchen

Das Radelmädchen ist eine waschechte Berlinerin. Neugierig, frech, etwas ironisch, ein wenig unentschlossen, häufig lachend und auch mal ernst. Sie befindet sich bevorzugt in Begleitung ihrer großen Liebe, dem Fahrrad – ob auf Reisen, in der heimischen Flora und Fauna oder in Gedanken.

Von den Cliffs of Moher kurbeln wir zum nahen Burren Nationalpark hinüber. In dem großen Karstgebiet erheben sich schön geschichtete Sandsteinformationen, ein großer Kontrast zu dem ansonsten moorig-feuchten Weideland. Einen halben Tag wandern wir auf etwas mühsam zu gehenden steinigen Pfaden durch die kargen Hügel.

Wir übernachten in dem kleinen Ort Corofin, abends besuchen wir den Dorfpub Bofey Quinn’s, der nur wenige Schritte vom Zeltplatz entfernt liegt. Es ist ein richtig urig-gemütliches Lokal. Hier treffen sich Musikanten aus dem Ort zu einer Session und jeder, der mag, kann ebenfalls mitmachen. Es wird mit Inbrunst „traditional Irish Folk“ gesungen und gefidelt, sämtliche Altersklassen von weißhaarigen Opa bis zum 13jährigen Knirps sind vertreten und auch die Gäste und der Barkeeper beteiligen sich. Eine sehr schöne Atmosphäre.

Bei schlechtem Wetter mit zeitweise starkem Regen fahren wir zu der sehr touristischen Stadt Galway. In der Altstadt reiht sich wirklich ein Pub an den nächsten. Wir waren an einem Samstag in der Stadt, haben nicht einmal zwei freie Plätze in einem Lokal gefunden und fühlten uns stark an die Düsseldorfer Altstadt erinnert. In Galway ist „die längste Theke der Welt“ aber mehrere Nummern kleiner als in Düsseldorf.

Das schlechte Wetter ist uns nun für 10 Tage erhalten geblieben. 90 Kilometer radeln wir bei starkem Westwind von Galway entlang der Küste nach Clifden. Nördlich von Clifden schwenkt die Straße nach Osten und, wie der Zufall es will, wechselt der Wind von West nach Ost, so dass uns der Gegenwind erhalten bleibt. Zudem regnet es ordentlich. Die wunderbare Landschaft mit den bis zu 700 Meter hohen, kahlen Bergen und die einsamen Hochmoore können wir in den tief hängenden Regenwolken nur erahnen. Auf erstaunlich ebener Strecke geht es durch enge Täler und entlang schmaler Fjorde in der Region Connemara nach Westport. Wir fühlen uns an Nordnorwegen erinnert. Die folgenden 50 Kilometer sind dann der bisherige Nässehöhepunkt der Radtour. In strömenden Dauerregen kurbeln wir auf einsamen, einspurigen Teersträßchen bis Foxford, wo wir uns am frühen Nachmittag vor der Sintflut in ein sehr einfaches Hostel retten. Wir sind bis auf die Haut durchnässt und froh, in ein trockenes Zimmer zu kommen. Auf 60 Metern über dem Meeresspiegel sind wir bereits durch Wolken gefahren, von den 400 Meter hohen Bergen und den vielen Seen haben wir leider nur ansatzweise etwas gesehen. In die nebelig-graue Stimmung passen die sumpfigen Wiesen, sogar die Schafe und Kühe flüchten sich unter die wenigen Bäume.

Während der folgenden Tage bleibt uns der Dauerregen erhalten – Wassertreten ist angesagt. Von Foxford nach Sligo werden wir wieder vollkommen durchnässt. Dem starken Dauerregen hält die Regenkleidung trotz mehrlagigen Goretex maximal 2 Stunden stand. Selbst die gummierte Jacke von Olaf lässt die Sintflut durch, aus der Jacke von Annette kann man in regelmäßigen Abständen das Wasser aus den Ärmeln gießen. In Sligo retten wir uns erneut in Hostel. In der Zeitung lesen wir später, dass es vollgelaufene Keller und auf der nördlich liegenden Halbinsel Inishowen starke Gewitter und Überflutungen von Straßen gegeben hat. Erst während der Fahrt von Sligo nach Donegal sehen wir dann endlich mal wieder die Sonne und die Berge.

Sehr schön ist die Strecke von Donegal nach Norden. Wir kurbeln auf einspurigen Sträßchen über einen kahlen Höhenrücken. Über Kilometer geht es steil geradewegs die Berge hinauf. Rückenwind und viele kurze, heftige Schauer treiben uns die zehnprozentigen Anstiege hinauf, immer auf der Suche nach einem Baum zum Unterstellen.

Nördlich von Dunglow zelten wir auf einem winzigen Campingplatz. Eine Batterie Mückenmittel (zum Stückpreis von 10 €uro) steht an der Rezeption zum Verkauf. Auf Nachfrage erfahren wir, dass die Midgets ab einer Windgeschwindigkeit von fünf Kilometern in der Stunde am Boden bleiben. Am Abend haben wir einen erfrischenden Wind auf dem Zeltplatz. Nachts regnet es etwas, morgens härt es aber auf. Es ist beim Aufstehen feuchtwarm, die Luft bewegt sich nicht. Ideale Bedingungen für die Midgets! Und sie sind in Schwärmen – überall! Sie kriechen in die Ohren und die Nase, beim Luftholen sollten Vegetarier den Munde geschlossen halten. Annette wird so zerstochen, dass sie aussieht wie von Masern befallen. In Rekordzeit bauen wir das Zelt ab und flüchten uns auf die Räder.

Eine der schönsten Bergstrecken durch Irland fahren wir beim Errigal Mountain, der die Form eines Vulkankegels hat. Bis zu 700 Meter erheben sich die von Gräsern, violett blühender Heide und Schotterflächen geprägten Berge. Endlich haben wir mal wieder Sonne. In Zusammenarbeit mit dunklen Wolken taucht sie die einsame Landschaft in ein dramatisches Licht.

Ab Derry fahren wir durch Nordirland, wir sind also wieder in Großbritannien. Wir radeln entlang einer sehr schönen Steilküste im Norden Nordirlands. Endlich haben wir Glück mit dem Wetter. Bei herrlichem Sonnenschein erleben wir die Steilküste zwischen Portrush und Larne. Einen Tag nehmen wir uns Zeit für eine Wanderung entlang des Giant‘s Causeway und sind begeistert über die steil abfallenden Felsen mit ihren vielfältigen Formen. Der Wanderweg verläuft hoch über der Steilküste, tief unter uns braust das Meer mit Kraft gegen die bizarren Klippen. Verfallene Burgen stehen auf einigen Felsvorsprüngen, kleine weiße Häuschen in den Weilern ducken sich in geschützten Buchten. Irlands Bilderbuchlandschaft – einfach wunderschön, besonders im langersehnten Sonnenschein. Weiter östlich an der Antrim Coast kurbeln wir auf einer schmalen Teerstraße, die, wie so oft, von mannshohen, rot blühenden Fuchsienhecken gesäumt ist. Sie führt uns über ein Kap bis auf 220 Meter Höhe hinauf. Längere Passagen weisen Steigungen und Gefälle von 20% auf. Für die anstrengende Strecke, die wir teilweise sehr mühsam geschoben haben, werden wir mit einer einsamen, dramatischen Berglandschaft und phantastischen Ausblicken auf die Steilküste entlohnt.

In Larne endet unsere Radtour durch Nordirland und wir setzen mit der Fähre nach Cairnryan in Schottland über.

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