Im Jahr 2022 ereigneten sich in der Schweiz über 18 000 Verkehrsunfälle mit Personenschaden. Dabei verloren ungefähr 270 Menschen ihr Leben, davon 241 bei Strassenverkehrsunfällen, 21 bei Eisenbahnunfällen und 4 bei Flugunfällen. Was den Schiffsverkehr anbelangt, so liegen ausschliesslich Zahlen zur öffentlichen Schifffahrt vor. Hier wurde 2022 ein Todesopfer verzeichnet.
Der historische Vergleich zeigt, dass die Anzahl Todesopfer bei den Hauptverkehrsträgern seit den 1970-Jahren deutlich zurückgegangen ist.
Unfälle mit Personenschaden | 18 396 |
Getötete | 241 |
Veränderung seit 2000 | –59% |
Schwerverletzte | 4 002 |
Leichtverletzte | 17 896 |
Eisenbahnunfälle | |
Unfälle mit Personenschaden | 54 |
Getötete (ohne Suizide) | 21 |
Veränderung seit 2000 | –28% |
Getötete Fahrgäste | 0 |
Weitere Verkehrsunfälle | |
Getötete bei Zivilluftfahrtunfällen | 4 |
Getötete bei Luftseilbahnunfällen | 1 |
Quellen: BFS, ASTRA – Strassenverkehrsunfälle (SVU); BAV – Nationale Ereignisdatenbank; SUST – Flugunfallstatistik
Risikovergleich
Die Gefahr eines tödlichen Unfalls ist je nach Verkehrsmittel unterschiedlich gross. Am sichersten in Bezug auf die zurückgelegten Distanzen sind Eisenbahnfahrten: Im Durchschnitt kam es hier in den letzten zehn Jahren (2012 bis 2021) zu einem Todesfall pro 190,8 Milliarden Personenkilometer (entspricht 4,8 Millionen Erdumrundungen). Ein relativ sicheres Verkehrsmittel ist auch der Personenwagen, wogegen Fahrten mit dem Fahrrad und insbesondere mit dem Motorrad um ein Vielfaches gefährlicher sind. Wird das Todesrisiko jedoch nicht nach gefahrenen Kilometern, sondern nach gefahrener Zeit berechnet, schneidet das Fahrrad deutlich besser ab.
Anzahl der Fahrradunfälle in den vergangenen zehn Jahren stark angestiegen
Helmmoral nach wie vor niedrig. 63 Prozent der verunglückten Radfahrenden ohne Kopfschutz.
Der ist nach wie vor ungebrochen und hat sich in den vergangenen Jahren durch ein immer breiteres Angebot an E-Bikes noch verstärkt. „Diese grundsätzlich begrüßenswerte Entwicklung hat leider auch eine Schattenseite: passierten laut Statistik Austria. Im Vergleich zu 2013 – damals waren es 6.375 Unfälle – ist das ein Anstieg um 69 Prozent“, fasst ÖAMTC-Verkehrstechniker David Nosé zusammen. „2022 sind 44 Radler:innen tödlich verunglückt, um 15 Prozent weniger als 2013.“
Ein wichtiges Detail: Während der Anstieg der Unfallzahlen z. B. bei Zusammenstößen mit Autofahrenden und Fußgänger:innen mit rund 23 Prozent relativ moderat war, nahmen die in den vergangenen zehn Jahren um 154 Prozent zu. Die Ursachen für diese Entwicklung sind aus Sicht des ÖAMTC-Experten vielfältig.
David Nosé, ÖAMTC-Verkehrstechniker:
„Die Zahlen sind unter anderem Folge von zu, erhöhter und. Aber auch am Fahrrad und nicht zuletzt sind negative Einflussfaktoren.“
Sicherheitsbewusstsein für Kopfschutz nach wie vor zu gering
Alleinunfälle können kaum effektiv verhindert werden – allerdings ist es möglich, ihre Folgen zu mildern. Wichtigstes Utensil dafür ist der. „Hier zeigt die Statistik für die vergangenen zehn Jahren eine leicht positive Tendenz: 2013 verzichteten noch 73 Prozent der verunfallten Radler:innen auf einen Kopfschutz, 2022 waren es 63 Prozent. Allerdings ist die vom ÖAMTC erhobene, mit immer noch sehr „, hält Nosé fest.
Detailauswertungen aus der ÖAMTC-Unfallforschungsdatenbank zeigen weiters: Der Anteil an verunglückten Radelnden ohne Helm mit schweren oder tödlichen Kopfverletzungen liegt bei 57 Prozent. „Bei Radfahrenden, die einen Helm getragen haben, ist diese Zahl mit 26 Prozent deutlich niedriger“, stellt Nosé klar. „Man kann es nicht oft genug sagen: .“ Übrigens ist die fehlende eher ein, vermutlich, weil man dort häufiger Arbeitswege mit dem Rad zurücklegt und der Helm dabei als hinderlich empfunden wird.
Zunehmender Radverkehr verursacht immer mehr Unfälle
Die Polizei Hannover stellt eine Unfallstatistik für den Radverkehr vor: Danach sind Radfahrerinnen und Radfahrer in wachsendem Ausmaß an den steigenden Unfallzahlen schuld.
Die Anzahl der Verkehrsunfälle (blau) steigt. Immer öfter sind Radfahrerinnen und Radfahrer schuld (rot).
Hannover will den Anteil des Fahrrads am Gesamtverkehr von derzeit 13 Prozent auf 25 Prozent bis 2025 steigern. Ein zunehmendes Problem dabei ist die wachsende Zahl der Verkehrsunfälle mit Radfahrern und Radfahrerinnen: Seit 2011 ist diese um 523 (25 Prozent) gestiegen, und zwar auf 2.616 Unfälle im Jahr 2020. Davon wurden 59 Prozent von den Radfahrenden verursacht (2011: 35 Prozent).
Die Anzahl der bei diesen Unfällen beteiligten Radfahrerinnen und Radfahrer stieg auf 2.884 Personen (plus 604 oder 26,5 Prozent). Davon wurden 77 Prozent leicht, schwer oder tödlich verletzt. Unfällen ohne Personenschaden werden oft nicht polizeilich erfasst. Auffällig ist, dass 2020 bereits 49 Prozent Unfälle mit Personenschäden von Radfahrerinnen und Radfahrern verursacht wurden (2011: 25,8 Prozent). 2020 stieg der Anteil der Radfahrenden als Unfallverursacher gleich um 445 Personen (plus 69 Prozent) im Vergleich zu 2019 (2.433).
Unter den 1.549 Radfahrerinnen und Radfahrern, die Unfälle verursachten, wurde bei 160 als Ursache Alkohol festgestellt (anteilig seit 2011 konstant). 133 fuhren auf der falschen Seite. 117 fuhren falsch in den Verkehr ein. Je 42 machten Fehler beim Abbiegen und an der Ampel. 34 missachteten die Vorfahrtsregeln. 32 missachteten die Rechts-vor-Links-Regel. Häufigste Unfallursache war damit auch bei Radfahrern der übliche Grund „anderer Fehler“. „Diese eher unspezifische Unfallursache erfasst in der Regel einen Unfallhergang, der nicht klar einer anderen Unfallursache zugeordnet werden kann“, so die Polizei Hannover.
Die Zahl der Unfälle wächst ganzjährig. Besonders im ersten (plus 43 Prozent / plus 113) und dritten Quartal (plus 44 / plus 282) haben sich die Unfälle unter Beteiligung des Radverkehrs seit 2011 deutlich erhöht. Für den Januar ergibt sich in den letzten zehn Jahren eine Steigerung um 116 Prozent (plus 80). Der Fachhandel weiß längst: Die Kundschaft fährt zunehmend ganzjährig.
Grundsätzlich ist von Montag bis Freitag eine vergleichbare Anzahl an Verkehrsunfällen unter Beteiligung des Radverkehrs erkennbar. Für das Wochenende sind geringere Werte festzustellen, die in den letzten vier Jahren aber kontinuierlich angewachsen sind. Die meisten Unfälle ereignen sich am Nachmittag.
Bei der Verursachung von Verkehrsunfällen ist bei allen Altersklassen eine deutliche Zunahme zu erkennen. Auffällig dabei ist, dass beispielsweise Erwachsene im Jahr 2011 noch 26 Prozent, im Jahr 2020 jedoch schon 49 Prozent der Verkehrsunfälle verursachten. Bei den durch Verkehrsunfälle getöteten Radfahrenden sind Alte deutlich überrepräsentiert. Die Polizei Hannover erklärt dies körperlichen Einschränkungen, etwa Vorerkrankungen und Komplikationen im Heilungsverlauf. Auffällig ist, dass in Bezug auf Verkehrsunfälle mit Schwerverletzten die Anzahl der betroffenen Alten (plus 55 Prozent / plus 31) und Erwachsenen (48 Prozent / plus 48) in den letzten zehn Jahren sehr deutlich gestiegen ist, während die übrigen Altersklassen auf einem vergleichbaren, deutlich niedrigeren Niveau verbleiben. Dies mit der verstärkten Nutzung von Pedelecs als Teil des Radverkehrs, insbesondere durch finanzstärkere, höhere Altersklassen, zu erklären. Männer sind mit 60 Prozent häufiger an Verkehrsunfällen im Radverkehr beteiligt als Frauen mit 37 Prozent und überwiegen auch als Verursachende.
Die erst seit 2013 gesondert erfassten Verkehrsunfälle unter Beteiligung eines Pedelecs haben sich seitdem um 739 Prozent (plus 325) vervielfacht. Dabei handelt es sich aber im Vergleich zum Radverkehr noch um eine geringe Gesamtanzahl von Verkehrsunfällen (2020: 14 Prozent aller Verkehrsunfälle unter Beteiligung des Radverkehrs), doch dieser Bereich wird immer wichtiger für die Verkehrssicherheit, das weiß die Polizei. Bei 53 Prozent dieser Unfälle waren die Elektroradfahrerinnen und – fahrern schuld. Im Jahr 2013 lag dieser Wert noch bei 41 Prozent.
Etwa zwei Drittel der Pedelec-Unfälle ereignen sich im Sommer. Die Anzahl der Unfälle im Winter hat aber in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Im ersten Quartal 2013 wurde ein Unfall erfasst, im Jahr 2020 belief sich deren Anzahl im Vergleichsquartal bereits auf 51. Dieser Trend wird bei einer Betrachtung der klassischen Wintermonate noch deutlicher: Während im Jahr 2013 im Januar und Februar noch kein Verkehrsunfall unter Pedelec-Beteiligung erfasst wurde, so sind es im Jahr 2020 bereits jeweils 16.
Im Gegensatz zum gesamten Radverkehr verunfallen Pedelec-Fahrer auch an Wochenendtagen fast so oft wie an Werktagen. Eine eindeutige Häufung ist bei Verkehrsunfällen im Pedelec-Verkehr ist am Vor – und insbesondere am Nachmittag zu erkennen. Arbeitspendler.
Die Anzahl der an einem Verkehrsunfall beteiligten Pedelec-Fahrenden hat seit 2013 sehr deutlich zugenommen (plus 418 Prozent / plus 323). Zudem verletzten sich Pedelec-Fahrer bei Unfällen leichter als andere Radfahrer. Auch dies steht sicher in einem Zusammenhang zum hohen Alter der E-Radfahrenden.
Pedelec-Fahrerinnen und – Fahrer verursachten etwa die Hälfte der Unfälle mit Personenschäden, an denen sie beteiligt waren. Hauptunfallursachen waren auch hier „andere Fehler“ (36 Prozent), also auch Überforderung mit dem E-Rad, etwa dem hohen Gewicht. Die Anzahl der alkoholisierten Unfallverursachenden auf Pedelecs ist gering und liegt etwa liegt auf dem Niveau des Radverkehrs. Unter den Pedelec-Nutzern kamen mit einer Ausnahme bisher nur Senioren ums Leben. Die Zahl Schwer – und Leichtverletzter hat sich bei Senioren und Erwachsenen seit 2013 vervielfacht.
Radverkehrspolitik ist nicht Aufgabe der Polizei, daher muss die unzureichende Infrastruktur in der Statistik keine Rolle spielen. Sicher sind bessere Radwege aber ein wesentlicher Faktor für mehr Verkehrssicherheit, auch in Hannover. Ferner gilt es anzumerken, dass trotz steigender Unfallzahlen Radverkehr sogar sicherer geworden sein kann, sofern das Radverkehrsaufkommen noch stärker steigt als die Unfallzahlen.
VCÖ: 8 von 10 tödlichen Radunfällen auf Kfz-Straßen, nur 2 von 10 auf Radverkehrsanlagen
Während insgesamt die Zahl der Verkehrstoten in Österreich im Vorjahr gestiegen ist, ist die Zahl der tödlichen Radverkehrsunfälle um 20 Prozent gesunken. „Der Blutzoll ist aber mit 40 Todesopfern viel zu hoch. Vor allem ältere Menschen sind häufig Opfer tödlicher Unfälle. Es braucht verstärkte Maßnahmen, um die Sicherheit für die Radfahrerinnen und Radfahrer zu erhöhen“, stellt VCÖ-Experte Michael Schwendinger fest. Im Vorjahr waren 18 der 40 Todesopfer 70 Jahre oder älter, weitere 13 zwischen 60 und 69 Jahre, macht der VCÖ aufmerksam.
Der VCÖ fordert den beschleunigten Ausbau der Rad-Infrastruktur. Denn auf eigenen Radverkehrsanlagen sind Radfahrerinnen und Radfahrer deutlich sicherer unterwegs, wie eine aktuelle VCÖ-Analyse zeigt. Im drei Jahreszeitraum 2019 bis 2021 kamen 123 Radfahrerinnen und Radfahrer im Straßenverkehr ums Leben, davon 100 auf Kfz-Fahrbahnen, das waren 81 Prozent. Mit 19 Prozent war der Anteil tödlicher Radunfälle auf Radverkehrsanlagen deutlich niedriger.
Von den 23 tödlichen Unfällen auf Radverkehrsanlagen passierten fünf auf Radfahr-Überfahrten, drei auf Radfahrstreifen (von Kfz-Fahrbahn mit Sperrlinie getrennt, darf nur mit Fahrrad befahren werden) und einer auf Mehrzweckstreifen (ein durch Warnlinien markierter Teil der Fahrbahn, darf von anderen Fahrzeugen mitgenutzt werden). Auf baulich getrennter Rad-Infrastruktur passierten 14 der 123 tödlichen Unfälle, davon acht auf gemeinsamen Geh – und Radwegen. Auf eigenen Radwegen passierten sechs tödliche Radunfälle, das sind nur fünf Prozent aller tödlichen Radunfälle, verdeutlicht der VCÖ. Die eigene Rad-Infrastruktur führt auch dazu, dass Radunfälle glimpflicher enden. Der Anteil der Radverkehrsanlagen bei verletzten Radfahrenden beträgt 30 Prozent.
„Eine gute Radinfrastruktur ist der zentrale Hebel, um die Sicherheit für die Radfahrerinnen und Radfahrer zu erhöhen. Insbesondere für ältere Menschen, aber auch für Kinder, Jugendliche und Familien sind sichere, das heißt auch ausreichend breite Radwege wesentlich, um Alltagswege sicher mit dem Fahrrad zurücklegen zu können“, betont VCÖ-Experte Michael Schwendinger. Der Aufholbedarf bei der Rad-Infrastruktur ist in Österreich groß.
Mit einigen Ausnahmen, wie etwa Vorarlberg oder die Städte Graz und Salzburg, wurde der Radverkehr viele Jahrzehnte sträflich vernachlässigt. „Heute wird die Wichtigkeit des Radverkehrs österreichweit erkannt, vielerorts begonnen, die Bedingungen zu verbessern. Aber wir brauchen deutlich mehr Tempo und eine österreichweite Rad-Infrastrukturoffensive“, betont VCÖ-Experte Schwendinger. Neben mehr Verkehrsberuhigung in den Städten und Gemeinden sind Radwege zwischen Ortsgebieten und Siedlungen sowie in den Ballungsräumen Radschnellverbindungen zwischen dem Umland und den Städten für die Verkehrssicherheit aber auch für die Mobilität der Bevölkerung insgesamt zentral.
Zwischen den Bundesländern gibt es große Unterschiede: Die mit Abstand meisten tödlichen Radfahrunfälle passierten im Vorjahr in Oberösterreich, wo so wie im Jahr 2021 16 Radfahrerinnen und Radfahrer bei Verkehrsunfällen ums Leben kamen. In Niederösterreich starben sechs Radfahrende im Straßenverkehr, im Jahr 2021 waren es zwölf. Zwei Bundesländer erreichten im Vorjahr das Ziel „kein tödlicher Radfahrunfall“ nämlich Salzburg und das Burgenland, berichtet der VCÖ.
Oberösterreich: 16 (16)Niederösterreich: 6 (12) Steiermark: 6 (6)Kärnten: 4 (3)Vorarlberg: 3 (4)Wien: 3 (1)Tirol: 2 (4)Salzburg: 0 (4)Burgenland: 0 (0)
70 Jahre und älter: 18 (20)60 bis 69 Jahre: 13 (8)50 bis 59 Jahre: 4 (10)40 bis 49 Jahre: 0 (2)30 bis 39 Jahre: 2 (2)21 bis 29 Jahre: 0 (6)15 bis 20 Jahre: 2 (1) Bis 14 Jahre: 1 (1)
Getötete Radfahrerinnen und Radfahrer: 123 Davon an Radverkehrsanlagen: 23 (18,7 Prozent)Auf Kfz-Fahrbahnen: 100 (81,3 Prozent)
Verletzte Radfahrerinnen und Radfahrer: 27.059 Davon an Radverkehrsanlagen: 8.079 (29,9 Prozent) Auf Kfz-Fahrbahnen: 18.980 (70,1 Prozent)
VCÖ: In Österreich 23 Verkehrstote in den vergangenen elf Tagen – bei Hitze steigt das Unfallrisiko
VCÖ (Wien, 23. August 2023) – 23 Menschen kamen in den vergangenen elf Tagen bei Verkehrsunfällen in Österreich ums Leben, zahlreiche wurden verletzt. Die Mobilitätsorganisation VCÖ warnt, dass bei Hitze das Unfallrisiko steigt. Auch in den vergangenen zwei Jahren gab es an Hitzetagen mehr Verkehrsunfälle mit Personenschaden. Hitze belastet den Körper, die Konzentrationsfähigkeit sinkt, Fahrfehler nehmen zu. Der VCÖ empfiehlt, dort wo möglich öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Wer Auto fährt, langsamer fahren, volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen, nicht telefonieren, bei längeren Fahrten häufiger Pause machen.
VCÖ: Zahl der Schulwegunfälle im Vorjahr gestiegen – jetzt mit Schulanfängern Schulweg üben
VCÖ (Wien, 17. August 2023) – In zweieinhalb Wochen beginnt in Ostösterreich wieder die Schule. Im Vorjahr gab es in Österreich 418 Schulwegunfälle, um 62 mehr als im Jahr 2021, als es teilweise noch Homeschooling gab, aber um 92 weniger als im Vor-Coronajahr 2019, berichtet die Mobilitätsorganisation VCÖ. Der VCÖ rät Eltern von Kindern bis zum 12. Lebensjahr in den Ferien den Schulweg gemeinsam mit dem Kind zu üben. Zudem ist für die Kinder mehr Verkehrsberuhigung in den Städten und Gemeinden wichtig.
Verkehrsumfeld nicht radfahrfreundlich
Das Verkehrsumfeld orientiert sich wenig an den Bedürfnissen von Kindern. Auch in Wohngegenden fließt zunehmend mehr Verkehr. Autofahrer rechnen zu wenig mit Kindern.
Unfallursachen
Die häufigste Unfallursache in der Gruppe der 6- bis 14-Jährigen war 2020 wie in den Vorjahren eine falsche Straßenbenutzung (18,3 Prozent), vor allem die Benutzung der falschen Fahrbahnseite. Fast jeder sechste Unfall ereignete sich beim „Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein – und Anfahren“ (17,1 Prozent). Hier sind es vor allem Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr und beim Anfahren vom Fahrbahnrand. 10,2 Prozent der Unfälle sind auf die Missachtung von Vorfahrt oder Vorrang zurückzuführen, 8,1 Prozent auf zu hohe Geschwindigkeit.
Oft liegt die Unfallhäufigkeit von Kindern unter 15 Jahren deutlich höher als bei Jugendlichen und Erwachsenen, etwa bei Fehlern beim Einfahren in den fließenden Verkehr (mehr als doppelt so häufig) oder beim Abbiegen, Wenden, Ein – und Anfahren (fast doppelt so häufig).
Mehr Unfälle nach der Grundschule
Mit zunehmendem Fahren steigen leider auch die Risiken. Nach der Radfahrausbildung und dem Wechsel auf eine weiterführende Schule steigt die Zahl der Unfälle mit dem Rad sprunghaft an. 2020 war laut Statistischem Bundesamt weit über die Hälfte aller im Verkehr verunglückten Kinder zwischen 10 und unter 15 Jahren mit dem Rad unterwegs (56,8 Prozent).
Nach dem Wechsel auf eine weiterführende Schule steigt die Zahl der Unfälle. Quelle: Statistisches Bundesamt 2021
Im Jahre 2020 standen den 1.962 verunglückten 6- bis unter 10-jährigen Radfahrenden 6.691 Unfallopfer bei den 10- bis 14-Jährigen gegenüber. Die Zahlen erklären sich nur teilweise durch die längeren Strecken. Hauptunfallursache ist das alterstypische Risikoverhalten der jungen Radfahrer. Gerade Jungen fahren leichtsinniger, immer öfter auch ohne Helm.
Die Unfallzahlen bleiben zunächst hoch, erst mit 18 Jahren gehen die Radfahrunfälle wieder zurück. Ab 16, 17 Jahre steigen viele Jugendliche auf motorisierte Fahrzeuge um.
Jungen deutlich gefährdeter als Mädchen
Beim Radfahren sind Jungen deutlich gefährdeter als Mädchen – wie fast überall im Verkehr. 2020 waren gut zwei Drittel der Unfallopfer von 10 bis einschließlich 15 Jahren Jungen (70,88 Prozent). Sie fahren öfter und haben leistungsfähigere Räder als Mädchen. Viele Jungen fahren aggressiver und tasten sich näher an ihre Grenzen heran. Je riskanter man fährt, umso mehr wird man im Freundeskreis bewundert.
Wann sind Kinder am meisten gefährdet?
Die meisten Radfahrunfälle von Kindern passieren nachmittags zwischen 15 und 18 Uhr, bei jüngeren Kindern oft in unmittelbarer Nähe zur Elternwohnung. Der Berufsverkehr nimmt zu, während Kinder und Jugendliche mit dem Rad unterwegs sind.
Die Jahreszeit spielt bei Unfällen mit dem Rad eine größere Bedeutung als bei Fußgängern. In den kalten und dunklen Wintermonaten wird deutlich weniger Rad gefahren, entsprechend wenige Unfälle geschehen. Besonders gefährlich für Radfahrer sind die Sommermonate. Dass sich anders als in den Vorjahren 2020 die meisten Unfälle ranfahrender Heranwachsender im September ereigneten, dürfte auf das geänderte Mobilitätsverhalten während des Lockdowns zurückzuführen sein.
Die Daten des Statistischen Bundesamtes beruhen auf Polizeiangaben. Unfälle, bei denen die Polizei nicht hinzugezogen wurde, sind nicht aufgenommen. Leichtere Verkehrsunfälle mit geringem Sachschaden oder kleinen Verletzungen sowie Unfälle ohne Beteiligung motorisierter Fahrzeuge werden oft nicht registriert. Die Dunkelziffer steigt, je glimpflicher ein Unfall ausfällt. Über ihr Ausmaß kann man nur Vermutungen anstellen. Fachleute rechnen mit mehr als 50 Prozent bei Bagatellschäden und weiteren 15 Prozent bei schweren Unfällen mit Personenschäden.
Von Bordcomputern und Radspielplätzen
Digital Bike: Wie man die Verkehrssicherheit von Kindern auf dem Fahrrad steigern kann.
Kinder werden vor allem aufgrund ihrer teilweise noch nicht vollständig ausgeprägten Motorik häufig Opfer von Fahrradunfällen. Bild: Pixabay. com/Peezibear.
9128 registrierte Fahrradunfälle von Kindern im Alter zwischen sechs und 15 Jahren gab es 2019 auf deutschen Straßen. Dabei waren die Kinder entweder nur Mitfahrende oder selbst am Steuer, so eine Statistik des deutschen Statistischen Bundesamts (Destatis). Damit sind Fahrradunfälle bei Kindern nach Autounfällen die häufigste Art von Straßenunfällen. In Österreich waren es laut Statistik Austria 2016 557 Unfälle mit Beteiligung von fahrradfahrenden Kindern. Das ist im Verhältnis zur Einwohnerzahl Deutschlands eine geringere Zahl, dennoch war es in dem Jahr die vierthäufigste Unfallart von Kindern in Österreich. Laut der Studie von Destatis war das häufigste Fehlverhalten der fahrradfahrenden Kinder die falsche Straßenbenutzung, also beispielsweise das Fahren gegen eine Einbahn, gefolgt von Fehlern beim Abbiegen und Wenden sowie falschem Verhalten bei der Vorfahrt und dem Vorrang.
Fehlverhalten von fahrradfahrenden Kindern wird unter anderem durch das geringere Gefahrenbewusstsein im Vergleich zu Erwachsenen und auch durch die im Kindesalter noch nicht voll ausgeprägten motorischen Fähigkeiten begründet, so ein Bericht des Projekts Vorkids der Deutschen Hochschule der Polizei aus 2018, der damit zwei Gründe aufzählt, warum Kinder im Straßenverkehr vom Vertrauensgrundsatz ausgenommen sind.
Eine Möglichkeit, die motorischen Fähigkeiten zu verbessern, können Radmotorikparks sein. Solche Parks, die in Dänemark Radspielplätze genannt werden, bieten mithilfe verschiedener Stationen und Übungen Kindern einen sicheren Platz, um das Fahrradfahren zu erlernen und zu üben. Der erste Radmotorikpark im deutschsprachigen Raum entstand 2020 in Wien, wo Alec Hager, der sich der Vertretung von FahrradfahrerInneninteressen verschrieben hat, die dänische Idee in einem rund 8000 Quadratmeter großen Park mit 17 verschiedenen Stationen plante.
Der erste Radmotorikpark Österreichs entstand 2020 an der Rudolf-Nurejew-Promenade in Wien nach dem Vorbild der dänischen Radspielplätze. Bild: Alec Hager.
An einer anderen Möglichkeit, die versucht, Fehlverhalten von Kindern im Verkehr zu minimieren, hat die Geomobile GmbH aus Dortmund mit ForschungspartnerInnen, bestehend aus deutschen Universitäten und HerstellerInnen von Fahrradprodukten, gearbeitet. Das Projekt mit dem Namen Safety4bikes untersuchte zwischen 2017 und 2019 drei Jahre lang Assistenzsysteme für Fahrräder, die das Verkehrsverhalten von Kindern beobachten und in brenzligen Situationen auf das richtige Verhalten im Straßenverkehr aufmerksam machen, um die Sicherheit zu erhöhen.
Alec Hager hat die Idee der Radspielplätze nach Österreich gebracht, 2020 wurde in Wien der erste Radmotorikpark geöffnet. Bild: Peter Provaznik/Radvokaten.
Die im Projekt entwickelten Assistenzsysteme analysieren beispielsweise Daten aus Sensoren am Helm und am Rad, Positionsdaten sowie Funknachrichten anderer Fahrzeuge und geben über eine Kombination aus visuellen, akustischen und haptischen Signalen Hinweise zu Verkehrsregeln und Gefahren. Die Ausgabe der Hinweise erfolgt mithilfe von Signalen am Rad, dem Helm oder einer Datenbrille. Laut einem der Autoren der Studie, Andreas Hein von der Universität Oldenburg, seien die Assistenzsysteme, die bei Safety4bikes entwickelt wurden, auch modular, also einzeln, einsetzbar. Zur Vorbeugung von Verkehrsunfällen entwickelte das Forschungsprojekt mit einem Volumen von 2,5 Millionen Euro außerdem eine altersgerechte App, die im Vorhinein eine Route berechnet, die bestmöglich Gefahrenstellen ausschließt oder frühzeitig auf diese hinweist.
Im Forschungsprojekt Safety4bikes wurden Assistenzsysteme für Fahrräder entwickelt, um fahrradfahrenden Kindern mehr Sicherheit zu geben.
Für das in der Automobilindustrie bereits bestehende Assistenzsystem mit dem Namen Car2x, das über drahtlosen Datenaustausch die Kommunikation zwischen einem Pkw und dessen Umwelt ermöglicht, wurden von Safety4bikes Erweiterungen vorgeschlagen, um die Bedürfnisse von FahrradfahrerInnen besser abzubilden und deren Sicherheit zu erhöhen. Andreas Hein erklärt die Technologie: »Wenn beispielsweise ein Auto in die Kurve fährt und es zu einer Kollision kommen kann, berechnet das unser System und gibt entsprechende Warnhinweise.« Das funktioniert sowohl bei Autos als auch bei Fahrrädern. Je mehr Fahrzeuge die Technologie besitzen, desto größer ist der Sicherheitsgewinn. Hein rechnet mit der Nutzung eines Smartphones als Bordcomputer, das die Sensorsignale verarbeitet und an das Kind weitergibt. Das kann zum Beispiel visuell erfolgen, indem man das Handy am Lenker befestigt – sicherer seien akustische Signale über den Helm.
Für den früheren Sprecher der Wiener Radlobby und derzeitigen Geschäftsführer des Vereins Radvokaten, Alec Hager, ist die Idee von Assistenzsystemen an Fahrrädern keine Option für mehr Sicherheit von fahrradfahrenden Kindern im Straßenverkehr: »Wir müssen uns darum kümmern, dass der Verkehr so fehlerverzeihend und auch so menschenfreundlich wie möglich ist. Ein Verkehr, der kindergerecht ist. Assistenzsysteme helfen nicht, wenn der Verkehr nicht fahrradgerecht ist.« In einem »menschengerechten Verkehrssystem« gebe es keine Notwendigkeit für technische Lösungen. Hager bewertet die Einführung von Assistenzsystemen für Fahrräder sogar als kontraproduktiv. Er sieht bei fahrradfahrenden Kindern durch die Benutzung technischer Hilfsmittel die Möglichkeit eines gefährlichen Gewöhnungseffekts.
Die Inspiration für die Radspielplätze kam aus Dänemark, Alec Hager und die Radvokaten haben das Konzept nach Österreich gebracht. Deutschlandweit gibt es noch keine Radmotorikparks. Die Stadt Bern plant 30 Velospielplätze. Bild: Alec Hager.
In einer Evaluationsstudie von Safety4bikes, das zu 76 Prozent vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde, wurden die Assistenzsysteme gemeinsam mit Kindern an einem Verkehrsübungsplatz auf ihre Praxisfähigkeit getestet. Die KoordinatorInnen des Projekts der Geomobile GmbH zeigen sich zufrieden, dennoch hätten die eingesetzten Technologien Verbesserungspotenzial: Die größte Schwierigkeit seien die Erhebung sicherheitsrelevanter Geodaten und die Miniaturisierung der Assistenzsysteme an Rad und Helm.
Andreas Hein ist Direktor der Abteilung Assistenzsysteme und Medizintechnik an der Universität Oldenburg. Bild: Offis.
Bis zu einer möglichen Markteinführung braucht es aber ohnehin noch eine Menge Geduld. Zwischen zehn und zwanzig Jahre, schätzt Andreas Hein, werde es dauern, bis auch Fahrräder auf dem technischen Stand sind, der eine Umsetzung des Projekts ermöglicht. Bis dahin wird für ein sicheres Fahrerlebnis für Kinder unter anderem eine gute analoge Kommunikation zu anderen VerkehrsteilnehmerInnen wichtig sein. Um für mehr Sicherheit im Straßenverkehr zu sorgen, bedarf es zumindest sowohl AutofahrerInnen als auch FahrradfahrerInnen, die gut geschult sind. Zumindest in diesem Punkt sind sich alle einig.
Verkehrsstatistik Unfälle und Senioren – weniger, aber schwerer
Ältere Menschen waren im Jahr 2021 – gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung – seltener in Verkehrsunfälle verstrickt als jüngere. Gleichzeitig sind diese Unfälle aber häufig gravierender.
Laut neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts waren im Jahr 2021 66.812 Menschen ab 65 Jahren an Unfällen mit Personenschaden beteiligt. Das waren 14,5 Prozent aller Unfallbeteiligten. Der Anteil der Bevölkerung im Alter von 65 Jahren und mehr lag dagegen bei 22,1 Prozent.
Die geringere Unfallbeteiligung dürfte unter anderem daran liegen, dass ältere Menschen nicht mehr regelmäßig zur Arbeit fahren und so seltener als jüngere am Straßenverkehr teilnehmen, wie es hieß. Im hohen Alter gehe dann auch die Nutzung von Auto oder Fahrrad zurück.
Statistisches Unfallrisiko steigt stark ab 75 Jahren
Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, betrachtet die Statistik allerdings mit Bedenken. „Zum einen gibt es in der Altersgruppe weniger Führerscheinbesitzer, vor allem bei den Frauen über 75, zum anderen fahren Senioren häufig nicht so viel beziehungsweise nicht so lange Strecken“, sagte er. Bezogen auf die Fahrleistung sei Senioren daher eine ähnliche Unfallhäufigkeit zuzurechnen „wie der Hochrisikogruppe der 18- bis 25-Jährigen“.
Hinzu komme: Die Altersgruppe der 65- bis 75-Jährigen zeige in der Regel noch keine Auffälligkeiten im Vergleich zu jüngeren Autofahrern. „Die Dramatik steigt ab 75 Jahren“, sagte Brockmann zu den Erkenntnissen der Unfallforschung. Das seien allerdings rein statistische Werte: „Es gibt auch 80-Jährige, die super fahren können, und 65-Jährige, die bereits Schwierigkeiten haben.“
Unfälle mit Seniorenbeteiligung häufig schwerwiegender
Die Folgen bei Unfällen mit älteren Menschen sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes häufig schwerwiegender. So verunglückten 2021 mehr als 45.000 Menschen im Alter von 65 oder mehr Jahren im Straßenverkehr. 868 von ihnen kamen dabei ums Leben und 11.169 wurden schwer verletzt.
Dabei betrug der Anteil der Seniorinnen und Senioren an allen Verunglückten 13,9 Prozent, bei den Todesopfern war er mit 33,9 Prozent wesentlich höher. Auch wurde fast ein Viertel der verunglückten älteren Menschen schwer verletzt, während bei den unter 65-Jährigen der entsprechende Anteil mit 15,7 Prozent deutlich geringer war.
Hier spiegele sich zum einen die mit zunehmendem Alter nachlassende physische Widerstandskraft wider, hieß es zur Begründung. Zudem nehmen ältere Menschen häufiger als ungeschützte Fußgängerinnen und Fußgänger am Verkehr teil und sind daher einem größeren Risiko für schwerwiegendere Verletzungen ausgesetzt.
Senioren im Auto oft Verursacher von Unfällen
„Senioren im Auto sind eher die Verursacher von Unfällen, als Fußgänger sind sie vielfach diejenigen, die einen Unfall erleiden“, sagt Unfallforscher Brockmann. Das wird auch durch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2021 bestätigt: In 68,2 Prozent der Fälle trugen Senioren hinter dem Steuer bei Unfällen die Hauptschuld. Bei den mindestens 75-Jährigen wurde sogar drei von vier unfallbeteiligten Autofahrerinnen und – fahrern die Hauptschuld am Unfall zugewiesen.
Die Unfallursachen unterscheiden sich dabei von denen in jüngeren Altersgruppen. Häufiger wurde älteren Autofahrerinnen und Autofahrern vorgeworfen, die Vorfahrt missachtet zu haben. Auch Fehlverhalten beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein – und Anfahren war häufiger als bei Jüngeren. Dagegen wurde älteren Menschen deutlich seltener zur Last gelegt, den Abstand nicht eingehalten zu haben oder mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren zu sein. Auch Alkohol am Steuer war deutlich seltener ein Thema als bei Jüngeren.
„Mobilität führt auch zu mehr Teilhabe“
Insgesamt spielen auch Einschränkungen beim Sehen und Hören bei Senioren eine größere Rolle bei Unfällen, so Heiner Sothmann, Sprecher der Deutschen Verkehrswacht. Autofahrern in fortgeschrittenem Alter könne der Schulterblick schwerer fallen, die Reaktionsgeschwindigkeit falle bei Senioren häufig langsamer aus. Insofern gelte es auch mit Blick auf den Verkehr, Senioren „fit zu halten“.
Gefragt sei aber auch Fingerspitzengefühl: „Mobilität führt auch zu mehr Teilhabe“, betonte Sothmann. Es gelte dann, Alternativen aufzuzeigen. So könne der Stadtverkehr mit zahlreichen stressigen Situationen schon vermieden werden, wenn etwa ein Park-and-Ride-Parkplatz angesteuert und die weitere Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortgesetzt werde.
Technik soll Senioren beim Fahren helfen
Auch mit Hilfe von Technik könne vieles erleichtert werden, sagte Sothmann. „Ein Notbrems – oder Einparkassistent machen schon ganz viel aus.“ Unfallforscher Brockmann sieht bei allem, was darüber hinausgeht, allerdings eher negative Aspekte für Senioren, etwa bei intelligenten Tempomaten. „Wenn innerhalb von Sekunden vom Assistenten auf eigenes Situationsbewusstsein gewechselt werden muss, ist das für viele Senioren zu schnell.“
Zur Verbesserung des Fahrverhaltens älterer Autofahrer spricht sich Brockmann für Rückmeldefahrten mit einem „Profi“ ab dem 75. Lebensjahr aus. Die Erfahrung aus eigenen Projekten sei positiv – Fehlerquoten seien auch Monate später noch besser. Eine klare Rückmeldung im Vier-Augen-Gespräch werde von den Betroffenen zudem meist besser aufgenommen als die mehr oder weniger klaren Anmerkungen von Kindern oder Enkeln.
Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das NDR Fernsehen am 25. Januar 2023 um 19:30 Uhr in der Sendung „Hallo Niedersachsen“.
Fahrradunfälle in Karlsruhe: Wo es warum wie oft kracht
Polizei und Statistikämter sammeln Tausende Daten zu Verkehrsunfällen in ganz Deutschland. Eine BNN-Auswertung zeigt, wo in Karlsruhe besonders neuralgische Orte sind und wie viele Radfahrer im Stadtgebiet jährlich zu Schaden kommen.
582 Unfälle mit Personenschäden und Beteiligung eines oder mehrerer Radfahrer gab es 2019 in Karlsruhe. Das geht aus Unfalldaten des Karlsruher Polizeipräsidiums hervor. Die Behörden speichern zu jedem erfassten Fahrradunfall Angaben zu Tag, Uhrzeit, Unfallhergang, Straßen – und Lichtverhältnissen, beteiligten Fahrzeugarten und zum Schweregrad der Verletzungen.
Viele Unfälle gehen glimpflich aus
Die BNN haben unter allen Fahrradunfällen aus Karlsruhe diejenigen mit Personenschaden ausgewertet, also keine reinen Blechschäden.
Die meisten dieser Unfälle gingen 2019 glimpflich aus: Der Großteil der Rad – oder Pedelecfahrer verletzte sich höchstens leicht. 2018 und 2019 verunglückte jeweils ein Radler im Karlsruher Stadtgebiet tödlich. 2017 waren es noch fünf gewesen.
Wenig Unfälle bei Dunkelheit und Glätte
Gute Beleuchtung ist für Radfahrer überlebenswichtig. Das stimmt natürlich, obwohl der Großteil der Fahrradunfälle mit verletzten Personen bei Tageslicht passiert. Tagsüber sind aber auch deutlich mehr Radler, Autofahrer und Fußgänger unterwegs als nachts. Eine direkte Kausalität kann also nicht abgeleitet werden.
Ähnlich sieht das beim Straßenzustand aus: Nur ein Fahrradunfall ereignete sich in Karlsruhe 2019 bei winterglatter Straße. Bei 108 Unfällen war die Straße nass oder feucht.
Bei 473 – und damit 81% der Unfälle – war sie trocken. Da es aber einerseits viel seltener glatt ist als trocken, und da andererseits bei winterglatten Straßen weniger Radler unterwegs sind als im Sommer, kann hieraus keine Aussage abgeleitet werden, das Radfahren im Winter sei mehr oder weniger gefährlich als im Sommer.
Wo Fahrradfahrer in Karlsruhe oft verunglücken
In den Unfallstatistiken ist jeder Datensatz mit Koordinaten versehen. Man kann also genau nachvollziehen, wo sich welcher Unfall ereignet hat. Auf einer interaktiven Webseite der Statistischen Ämter können alle Unfälle auf einer Karte dargestellt und gefiltert werden, zum Beispiel nach den beteiligten Fahrzeugarten.
Wer sich nur Fahrradunfälle anzeigen lässt, erhält für Karlsruhe im Jahr 2018 diese Ansicht. Die Daten für 2019 sind noch nicht eingepflegt. Jeder gelbe Punkt steht für einen Unfall mit mindestens einem beteiligten Radfahrer. Klicken Sie auf das Bild für eine vergrößerte Ansicht.
Ein etwas genauerer Blick auf die Karlsruher Innenstadt zeigt, wo Fahrradfahrer besonders häufig verunglücken. Der Unfallatlas berechnet für jeden Straßenabschnitt von 250 Metern Länge die statistische Unfallhäufigkeit. Auf rot eingezeichneten Strecken verunglückten innerhalb eines Jahres drei bis zwölf Radler.
Auch Fahrradstraßen können Unfallschwerpunkte sein
Besonders auffällig: Der Zirkel, der als Fahrradstraße für Radler besonders angenehm und sicher zu befahren sein soll, ist nach den Daten von 2018 ein solcher Unfallschwerpunkt. Auch 2019 ereigneten sich hier nach BNN-Recherchen mindestens fünf Unfälle mit verletzten Fahrradfahrern.
Ein Radler wurde auf dem Zirkel sogar schwer verletzt – und zwar beim Zusammenstoß mit einem Auto im Oktober, also einige Monate nach der Errichtung von Durchfahrtssperren für Autos.
Entlang der Erzbergerstraße, ebenfalls eine wichtige Fahrradstraße und Nord-Süd-Achse in Karlsruhe, ereigneten sich 2019 zwölf Unfälle, allesamt zwischen Radlern bzw. Pedelecfahrern und Autofahrern. Die Tatsache, dass viele Fahrradstaßen in Karlsruhe für den motorisierten Verkehr freigegeben sind, stößt immer wieder auf Kritik.
Andere neuralgische Straßenabschnitte finden sich zum Beispiel am Europaplatz, in der südlichen Waldstraße, der westlichen Kriegsstraße und der Reinhold-Frank-Straße. Deren Kreuzungen mit Kaiserallee und Kriegsstraße stoßen besonders ins Auge.
Mehrere Leser haben uns bereits von ihren negativen Erfahrungen und ihrer empfundenen Unsicherheit an diesen Stellen berichtet. „Ich weiß aktuell nicht, wie ich dort abbiegen soll, ohne Angst um mein Leben haben zu müssen“, schreibt ein Radreporter-Leser über die Situation am Mühlburger Tor.
Er sei beim Linksabbiegen von der Kaiserallee in die Reinhold-Frank-Straße schon so knapp überholt und in den Gegenverkehr gedrängt worden, dass er neuerdings in der Mitte der Fahrspur radle.
„Dies führte dazu, dass ich zweimal sehr scharf links überholt wurde, einmal von rechts überholt wurde, mehrfach von hinten aggressiv angehupt wurde und, mein neuestes Highlight: Dass eine Frau sich extra die Mühe gemacht hat, auf der Straße auf meine Geschwindigkeit zu bremsen, die Scheibe herunterzulassen und mich als Arschloch zu beschimpfen“, schildert der Radfahrer.
Er habe sich hilfesuchend an die Polizei und den ADFC gewendet. Beide hätten ihm bestätigt, sich nach der Straßenverkehrsordnung korrekt zu verhalten. Allerdings könne laut Polizei „nicht ausgeschlossen werden, dass aggressivere Autofahrer sich dadurch provoziert fühlen und dann riskant überholen.“ Dem Radler sei geraten worden, sich einen anderen Arbeitsweg zu suchen.
„Natürlich kann ich eine andere Route wählen, so wie es zwei Freunde von mir aus Angst vor genau dieser Stelle bereits machen“, schreibt er den BNN. „Ich sehe es aber nicht ein, als Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse behandelt zu werden.“
Wenn Radfahrer mit Autos oder Fußgängern kollidieren
Das Mühlburger Tor ist vielleicht auch deswegen so unübersichtlich, weil dort viele verschiedene Verkehrsteilnehmer um den Platz auf der Straße konkurrieren. Neben Autos und Bussen passieren auch Straßenbahnen die Kreuzung von Kaiserallee und Reinhold-Frank-Straße, für Fahrradfahrer gibt es keine eigenen Abbiegespuren.
An den meisten Fahrradunfällen mit Personenschaden in Karlsruhe sind auch Pkw beteiligt: 2019 gab es in Karlsruhe 335 Unfälle zwischen Radlern und Autofahrern. Dem standen 49 Unfälle zwischen zwei oder mehreren Fahrradfahrern gegenüber.
107 Radfahrer sind ohne Beteiligung einer anderen Person verunglückt, weil sie etwa auf nasser Straße ausgerutscht oder gegen Hindernisse geprallt sind.
Die Zahlen von Unfallfluchten sind insgesamt relativ gering. Von allen 582 Fahrradunfällen in Karlsruhe 2019 ist nur bei wenigen Datensätzen vermerkt, dass einer der Hauptbeteiligten sich vom Unfallort entfernt hat. Allerdings waren dies häufiger Auto – als Fahrradfahrer.
Und wieso passieren all die Unfälle nun überhaupt? Um diese Frage zu beantworten, werfen wir abschließend noch einen Blick auf Unfallarten und – ursachen. Dabei wird schnell klar: Unfälle beim Kreuzen oder Einbiegen sind der mit Abstand häufigste Unfalltyp.
Radler fahren oft falsch, Autofahrer nehmen häufiger die Vorfahrt?
In den Daten des Karlsruher Polizeipräsidiums sind für beide Hauptbeteiligte pro Unfall jeweils bis zu drei Hauptursachen angegeben. So könnte zum Beispiel herausgelesen werden, dass ein betrunkener Radler auf der falschen Straßenseite fuhr und von einem abbiegenden Auto erfasst wurde, dessen Fahrer übermüdet war und die Ampelzeichen missachtet hatte.
Allerdings lassen sich diese Angaben nur begrenzt interpretieren. Insbesondere kann aus den Ursachen nicht auf die Schuldfrage geschlossen werden. Dennoch lohnt ein Blick darauf, wie häufig welche Gründe als Hauptursachen bei welchen Verkehrsteilnehmern angegeben werden.
So wird zum Beispiel sichtbar: Radfahrer fahren häufig auf der falschen Straßenseite oder auf dem Gehweg. Wenn eine Vorfahrtsverletzung als Hauptursache angegeben ist, liegt diese jedoch viel häufiger auf der Seite anderer Verkehrsteilnehmer, hauptsächlich bei Autofahrern.
Seniorinnen und Senioren – Unfallstatistik
Im Jahr 2021 verunglückten laut Statistischem Bundesamt (Destatis) 45.123 Menschen ab 65 Jahren im Straßenverkehr. 11.169 von ihnen wurden dabei schwerverletzt, 868 starben.
Gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil verunglücken Menschen ab 65 Jahren seltener bei Verkehrsunfällen als jüngere. Sie sind jedoch überproportional häufig in schwere Verkehrsunfälle verwickelt. So lag ihr Anteil an allen Verunglückten im Jahr 2021 bei 13,9 Prozent. Bei den Verkehrstoten waren es jedoch 33,9 Prozent. Damit gehörte jeder dritte Verkehrstote zu dieser Altersgruppe.
Besonders gefährdet waren die über 75-Jährigen, denn aufgrund nachlassender körperlicher Widerstandskraft sind die Folgen von Verkehrsunfällen mit zunehmendem Alter gravierender.
- zu Fuß Fehler beim Überschreiten der Fahrbahn, mit dem Rad und Pedelec die falsche Straßenbenutzung, mit dem Auto Fehler beim Abbiegen, Rückwärtsfahren, Ein – und Anfahren sowie Vorfahrtsfehler, mit Motorrädern nicht angepasste Geschwindigkeit und Abstandsfehler.
Sofern im Jahr 2021 über 74-Jährige als Autofahrende an einem Unfall beteiligt waren, trugen sie in drei Viertel (75,9 Prozent) der Fälle die Hauptschuld an dem Unfall, an dem sie beteiligt waren.
Im Jahr 2018 veröffentlichte die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) eine Studie zu Seniorinnen und Senioren im Straßenverkehr, die einen Zusammenhang des Lebensstils älterer Autofahrender und ihrer Unfallgefährdung zeigte. So haben laut Studie besonders die älteren Autofahrenden ein erhöhtes Unfallrisiko, die einen sehr aktiven Lebensstil haben und Abwechslung und Spaß suchen.
Internationale Studien weisen zudem darauf hin, dass das Alter allein kein erhöhtes Unfallrisiko bedeutet. Das ändert sich jedoch, wenn krankheitsbedingte Einbußen der Leistungsfähigkeit nicht mehr durch eine entsprechende Anpassung des Verhaltens kompensiert werden können.