Die Leistungen im Radsport werden immer besser, die Zahl der positiven Dopingproben seit Jahren aber immer geringer
- Tom Mustroph 10.06.2022 Lesedauer: 4 Min.
Die Tour de France wird immer schneller, Dopingsünder im Radsport gibt es immer weniger. Das ist ein Paradox der letzten Jahre. Stetig stieg die Geschwindigkeit: Tadej Pogačar war bei seinem letzten Toursieg schneller als Lance Armstrong bei sechs von dessen sieben Toursiegen. Nur 2005 fuhr der US-Amerikaner im Vergleich dem Slowenen noch davon – mit 41,65 km/h gegenüber 41,16 km/h. Schneller als die beiden war aber niemand in der mehr als 100-jährigen Geschichte der Frankreich-Rundfahrt.
Krasser ist das Bild noch bei den Klassikermonumenten. Die diesjährigen Ausgaben von Paris–Roubaix und Lüttich–Bastogne–Lüttich waren die schnellsten überhaupt. Bei den anderen fünf Rennen rangierten die Siegerzeiten allesamt unter den insgesamt zehn schnellsten. Klassikermonumente zeichnen sich – im Gegensatz zur Tour de France, die jedes Jahr einen anderen Parcours hat – durch eine traditionell gleiche Streckenführung aus. Geschwindigkeiten sind also besser vergleichbar.
Natürlich, chemische Substanzen sind nicht der einzige denkbare Schnellermacher. Räder und Kleidung sind aerodynamischer geworden. Ein ganzes Heer an Ernährungsexperten, Trainingswissenschaftlern und Datenanalysten optimiert die Energiezufuhr in Sportlerkörper und erhebt immer neue Daten zur besseren Umsetzung dieser Energie in Vortrieb auf Asphalt, Kies und Kopfsteinpflaster. Nur eine sportrelevante Analysedisziplin liefert leider immer spärlichere Resultate: Die Trefferdichte bei Dopingtests hat massiv abgenommen.
Schaut man sich die Sanktionsliste des Weltverbandes UCI an, so wurden 2021 nur fünf Fahrer überführt. Keiner davon war in einem World-Tour-Rennstall angestellt. Im Pandemiejahr 2020 mit massiv zurückgefahrenen Dopingtests wurden nur zwei Fahrer erwischt. Aus dieser Saison ist bislang nur der Fall des 17-jährigen Usbeken Samandar Sultanov bekannt, immerhin Starter beim Juniorenrennen des Halbklassikers Kuurne–Brüssel–Kuurne.
2019 hingegen wurden noch 16 Radsportler beim Betrug erwischt, prominentester davon war der Tour-de-France-Etappensieger Jarlinson Pantano. 2018 waren es neun, darunter der frühere Giro-Etappensieger Kanstantsin Siutsou. Der Rückgang ist also deutlich sichtbar. Aber gerade der aktuelle Fall des 17-jährigen Sultanov illustriert auch, dass Vertreter der neuen Generation nicht vor den Sünden der Alten geschützt sind.
Zeitlich korreliert der Rückgang positiver Dopingproben mit der Übernahme des Testbetriebs durch die Internationale Testagentur Ita. Zuvor war die institutionell vom Radsportweltverband unabhängige Testorganisation CADF dafür verantwortlich. Seit die Ita die Logistik der Tests bestimmt und auch durchführt, gab es keinen einzigen Dopingfall mehr auf World-Tour-Niveau und keinen einzigen positiven Test bei einer Grand Tour. Weil dies auch Laien stutzig macht, sahen sich der Weltverband und die Ita in dieser Woche zu einem bemerkenswerten Beruhigungsevent bemüßigt. UCI-Präsident David Lappartient und Ita-Generaldirektor Benjamin Cohen luden gemeinsam mit weiteren Angestellten ihrer Institutionen zu einer Zoom-Pressekonferenz ein.
Dieser Termin war eine beispielhafte Übung in der Disziplin des gegenseitigen Schulterklopfens. Ita-Boss Cohen bescheinigte seiner Institution, die Übernahme der Experten der CADF reibungslos bewerkstelligt zu haben. Elf der vormals 13 Personen seien übernommen worden. Insgesamt widmeten sich sogar 16 Vollzeitkräfte im Kontext der Testagentur dem Kampf gegen Doping im Radsport, betonte Cohen. Es gibt also mehr Ressourcen. Und Cohen hob auch den Effekt des interdisziplinären Lernens hervor: »Der Austausch über die einzelnen Sportarten hinaus ist bei der Ita intensiver geworden. Für mehr als 50 Fachverbände organisiert die ITA die Testprogramme.« Das ernüchternde Fazit: Alles ist richtig gut, obwohl die Ergebnisse immer schlechter werden.
Die Ita ist ein großer Player im Antidoping-Geschäft, allerdings einer ohne Biss. Weil sich das bis in die höchsten Reihen herumgesprochen haben dürfte, hatte Nicholas Raudenski eine Powerpoint-Stunde für die Weltpresse parat. Der Chef der Ermittlungseinheit der Ita erläuterte fein, wie wichtig Informationen über Verdachtsmomente seien, um Tests gezielter vornehmen zu können. Auf Nachfrage von »nd« war er aber nicht in der Lage zu nennen, in welcher Dimension Hinweise über Sportbetrug im Radsport bei seinen Ermittlern eingegangen seien und wie viele Verfahren daraus entwickelt werden konnten.
Raudenski arbeitete früher in den Antidoping-Programmen der Fußballverbände Fifa und Uefa. Die zeichneten sich durch maximale Misserfolgsbilanz aus. Wenn er nun ankündigt, dass es aufgrund der Hinweise von Fahndern und Whistleblowern gezielte Kontrollen bei der Tour de France und auch im Vorfeld geben solle, kann man davon ausgehen, dass auch die das aktuelle Bild bestätigen sollen: Testen ja, am besten mit noch mehr Manpower. Aber bitte bitte nichts finden.
Zu den Ergebnissen der Doping-Razzia im Teamhotel von Bahrain Victorious während der Tour 2021 wollten sich die Vertreter von Ita und UCI mit Verweis auf »die laufenden Ermittlungen« auch nicht äußern. Der Radsport wird immer schneller, aus vielen Gründen. Die Intensität der Suche nach Doping nimmt aber ab. Kein schönes Zeichen wenige Wochen vor dem Start der Tour de France in Kopenhagen.
Gibt es im Radsport noch Betrug
Wetten erfreuen sich im Bereich des Sports immer zunehmender Beliebtheit. Dies ist ein Umstand, der das Problem des Wettbetrugs mit sich bringt. Insbesondere der Radsport ist hier betroffen. Menschen, die gerne Rad fahren, verwenden dafür Gutscheincode, aber es ist wichtig, auf Nummer sicher zu gehen! Doch neben dem Wettbetrug macht dem Radsport auch eine andere Art von Manipulation zu schaffen.
Wieso sind Manipulationen im Profibereich so beliebt?
Im Radsport sind die Manipulationen insbesondere deswegen so beliebt, weil sie so einfach wie lukrativ sind. Denn Profiradfahrer fahren neben dem Ruhm auch für Geld. Nun hält sich der Verdienst im Vergleich zu einigen anderen Sportarten allerdings in Grenzen, weswegen eine stärkere Bereitschaft zur Kooperation bei Wettbetrug besteht. Außerdem ist Radsport ein Einzelsport. Würde im Teamsport eine Manipulation umgesetzt werden wollen, wäre es bedeutend schwerer. Beim Radsport hingegen muss nur ein Fahrer die Absprachen mit Wettbetrügern umsetzen. Aber nicht nur dies: Auch Radfahrer untereinander sprechen sich oftmals ab…
Die Absprachen unter Radfahrern
So bespricht der eine mit dem anderen, dass sie sich gegenseitig beim Rennen helfen würden. Oder aber der eine Radfahrer besticht den anderen, um sich den ersten Platz zu sichern. Dies geschieht erstaunlicherweise sogar während der Rennen.
Während eines Rennens kann dies auf offensichtliche Weise geschehen. In diesem Fall können die nebeneinander fahrenden Radfahrer einen Deal ausmachen. Der UCI-Präsident David Lappartient wiederum hat die Kopfhörer als weiteres Problem ausgemacht, die die Radfahrer während des Rennens tragen. Hier könnten Anweisungen zum Wettbetrug übertragen werden. Dies könne sogar von Funktionären des Teams eines Radfahrers ausgehen.
Eine ganz andere Art von „Betrug“: Das Gentleman’s Agreement
Neben den bisher zwei erläuterten Arten von Betrug kommt noch eine andere hinzu. Hierbei handelt es sich um das sogenannte Gentleman’s Agreement. Dies sind Absprachen, die während des Rennens stattfinden und spontan sind. Sie haben keinen Zusammenhang zum Wettbetrug. Es geht rein um das Erzielen eines bestimmten Ergebnisses.
Insbesondere diese „Gentleman’s Agreements“ genannten Absprachen gibt es häufig im Radsport. Es handelt sich dabei um Absprachen während eines Rennens, die auf gegenseitigem Vertrauen basieren. Die Absprachen sind allerdings haltlos und basieren rein auf eben jenem Vertrauen und dem Wort, dass sich die Radfahrer gegenseitig geben. Wie die Absprachen ablaufen und was die gegenseitigen Versprechungen sind, legen dabei die Radfahrer selbst und spontan fest. Die Geschichte hat solche Abmachungen oft gesehen:
- Zwischen Armstrong und Pantani 2000 Bei Contador und Tiralongo 2010 Ebenfalls 2010 zwischen Valverde und Szmyd
Das Gentleman’s Agreement ist häufig offensichtlich und dennoch regelmäßiger und ungeahndeter Bestandteil des Radsports. Es ist zwar kein Wettbetrug, aber eine andere Art Wettkampfmanipulation. Angesichts dieser häufigen Absprachen stellt sich die Frage, ob dies nicht mit dem Wettbetrug gleichzusetzen sei.
Es ist alles eine Frage der Gesetzgebung
Tatsache ist, dass momentan die Regularien noch sehr großzügig ausgelegt sind. Das war beim Doping, dem größten Problem des Radsports, früher genauso. Aber als mit den zunehmenden Verboten von Substanzen und strengen Kontrollen die Gesetze verschärft wurden, milderte dieses Problem ab. Es ist somit letzten Endes alles eine Frage der Gesetzgebung und der Initiative seitens der Verbände. Hier bleibt abschließend abzuwarten, was die Zukunft noch mit sich bringt.
Http://www. freygeist-bikes. com/zerstort-wettbetrug-den-radsport/
Gibt es im Radsport noch Betrug
Nachwuchsradprofi Van Den Driessche: „Es war alles ein großer Irrtum“
Die Radcross-Weltmeisterschaften im belgischen Zolder sind von einem mutmaßlichen Betrugsversuch überschattet worden. Ein Rad der Belgierin Femke van den Driessche wurde nach dem U23-Rennen am Samstag wegen eines verbotenen Hilfsmotors beschlagnahmt. Das bestätigte der Weltverband UCI. Es ist der erste bekannte Fall dieser Art bei großen Radsport-Titelkämpfen.
Die 19-jährige Van den Driessche reagierte geschockt und glaubt an ein Missgeschick. Anders sah dies UCI-Präsident Brian Cookson. „Es ist absolut eindeutig, dass ein technischer Betrug vorliegt“, sagte Cookson am Sonntag und stufte dies als inakzeptabel ein.
Van den Driessche, die als Mitfavoritin an den Start gegangen war, hatte das U23-Rennen aufgrund von technischen Problemen abbrechen müssen. Der belgische Nationaltrainer Rudy de Bie zeigte sich „angewidert“ von dem Vorfall: „Wir dachten, Femke sei ein großartiges Talent. Aber es sieht so aus, als hätte sie uns alle reingelegt.“ Der Athletin drohen eine sechsmonatige Sperre und eine Geldstrafe von bis zu 200.000 Schweizer Franken (rund 180.000 Euro).
„Ich bin sehr geschockt“
Der Teenager wies die Anschuldigungen in einem Interview mit dem belgischen TV-Sender Sporza zurück. Das Fahrrad sei das eines Freundes und Trainingspartners gewesen, das sie diesem in der Vorsaison verkauft hätte. „Es ist das gleiche, das ich fahre. Ein Mechaniker muss es verwechselt und für mich verstaut haben“, sagte van den Driessche: „Es war alles ein großer Irrtum, ich bin sehr geschockt.“ Sie fürchte das Ende ihrer Karriere, hoffe aber auf eine zweite Chance.
Die UCI hatte erst Anfang des Vorjahres ihren Strafenkatalog um den Punkt „technologischer Betrug“ erweitert. Fahrer werden sofort mit Disqualifikation, einer anschließenden Sperre von mindestens sechs Monaten und Strafzahlungen von bis zu einer Million Euro belegt. Auch deren Teams würden sofort disqualifiziert und dürften mindestens sechs Monate nicht an Rennen teilnehmen.
Den Verdacht, dass im Radsport Hilfsmotoren zum Einsatz kommen, gibt es schon seit Längerem. Bereits 2010 war dem mehrfachen Zeitfahr-Weltmeister Fabian Cancellara vorgeworfen worden, elektrische Antriebe zu benutzen. Dies konnte aber nicht belegt werden.
Zur Entdeckung des Hilfsmotors bei der Cross-WM soll nun ein neues Testverfahren geführt haben. Schon in der vergangenen Saison hatte der Weltverband unangekündigte Tests bei den großen Straßenrennen vollzogen, etwa bei der Tour de France. Solche Kontrollen sind Cookson zufolge auch für dieses Jahr geplant. „Es kann sich niemand mehr verstecken. Früher oder später werden sie für den Schaden bezahlen, den sie dem Sport zufügen“, sagte Cookson.
Https://www. spiegel. de/sport/sonst/radsport-crossfahrerin-mit-hilfsmotor-erwischt-a-1074921.html
Der plumpe Betrug ist Vergangenheit, doch Doping ist im Radsport keineswegs besiegt
Seit achtzehn Monaten ist eine neue Test-Agentur für den Radsport zuständig – und noch keinen einzigen World-Tour-Profi erwischt. Ein Grund zur Entwarnung ist das nicht: Doper agieren immer raffinierter. Staatliche Ermittler haben derzeit vor allem ein Team im Visier.
Der Däne Jonas Vingegaard (an der letztjährigen Tour de France, vor dem Leader Tadej Pogacar): «Es wird immer Zweifel geben, und so sollte es auch sein.»
Vor 24 Jahren war die Sachlage noch einfach. Zollbeamte stoppten den Festina-Masseur Willy Voet auf dem Weg zur Tour de France 1998. Sie fanden in seinem Auto 236 Ampullen EPO, 82 Packungen Wachstumshormone, Testosteron und Amphetamine.
Mehr von Sebastian Bräuer (smb)
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Die Rad-WM in Glasgow war für die Schweizer Rennfahrer ernüchternd – sie wurden von einem Fluch erfasst
Elf Monate vor den Olympischen Spielen in Paris wartet auf vielen Baustellen Arbeit auf Swiss Cycling.
Gold gewonnen, Freunde verloren: Tom Pidcock wird Mountainbike-Weltmeister und verärgert seine Konkurrenten
Der 24-jährige Brite ist zwar der stärkste Mann im Feld, steht in der WM-Woche in Glasgow aber auch in der Kritik. Das liegt nicht nur an seinem eigenen Verhalten – sondern auch an der UCI.
Darf man das? Wie die erfolgsverwöhnte Velofahrerin Marlen Reusser an Grenzen gestossen ist
Als Favoritin gestartet, gibt die Schweizerin das Einzelzeitfahren an der WM in Glasgow auf. Mit ihrer Begründung hält sie der Leistungsgesellschaft den Spiegel vor – und geht ein hohes Risiko ein.
Das Zeitfahren wurde Monate vorher minuziös geplant: Am Sonntag wird Jonas Vingegaard die Tour de France gewinnen – Zufall ist das nicht
Jumbo-Visma-Teamchef Richard Plugge gewährt Einblicke in die Vorbereitung auf die Frankreichrundfahrt.
Abgang des letzten Rock’n’Rollers: Der Radstar Peter Sagan hört auf
In einem Gespräch gewährt der dreifache Weltmeister überraschende Einblicke. Der Exzentriker sehnt sich nach Langeweile – und hat vom Radsport unwiederbringlich genug.
Mehr zum Thema Doping
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Die Jagd auf Doper wird an den Leichtathletik-Weltmeisterschaften neu lanciert
Mit Schweizer Hilfe wurde ein Verfahren entwickelt, das die Auswirkung von Steroiden im Blut nachweist. In der Leichtathletik wird es bereits angewendet – es könnte bei Sprintern und Werfern ähnliche Auswirkungen haben wie der Blutpass bei den Läufern.
Gibt es im Radsport noch Betrug
Ein paar Watt mehr: Aus einem klassischen Rennrad lässt sich leicht ein E-Bike machen Bild: Vivax Assist
Ist das die neueste Art des Betrugs? Beim Giro d’Italia lässt der Radsportverband die Rennräder der Teilnehmer auf versteckte Motoren untersuchen. Mechaniker winken zwar ab – doch unlösbar ist die Aufgabe nicht.
D er Profiradsport befindet sich in einer Evolution. Einerseits wurden und werden durch Blutkontrollen Profis entlarvt, die auf den verbotenen Beschleuniger Epo zurückgriffen oder es immer noch tun. Oder andere Substanzen benutzen. Mit der Einführung des Blutpasses ist die Sache für die Radrennfahrer auf alle Fälle riskanter geworden. Der Internationale Radsportverband (UCI) fürchtet aber nun, dass die bisherigen Missbrauchs-Methoden durch E-Doping ergänzt worden sein könnten. Man nimmt das offenbar sehr ernst. Die UCI führte beim Giro d’Italia bereits zwei Kontrollen auf versteckte Elektromotoren durch.
Ryder Hesjedal war nach der 18. Etappe des Giro auf der Suche nach einem Mechaniker. Der Kanadier musste zum Ausrollen rings um den Lago Maggiore den Sattel neu einstellen. Ein Kontrolleur der UCI hatte ihn abgeschraubt – er begutachtete den Rahmen nach einem möglicherweise verborgenen E-Motor. Auch die Pedale wurden demontiert und Blicke ins Tretlager geworfen. An Pedalen und in Rahmen bringen diverse Radhersteller Elektromotoren an und wandeln so klassische Räder in E-Bikes um.
Gibt es im Radsport noch Betrug
Der Teufel jagt den Sport (hier Lance Armstrong): Das Thema Doping wird die Szene weiter umtreiben.
Das deutsche Fernsehen will wieder Tour de France übertragen, ein Großsponsor fördert das Radteam von Marcel Kittel – schon hofft der Radsport auf bessere Zeiten. Doch die Tage des Dopings sind längst nicht vorbei.
Leider, leider gibt es im behördenreichen Deutschland noch kein Bundesamt für die Zertifizierung dopingfreier Sportarten. Ersatzweise müssen also andere Institutionen herhalten, wenn es um die Frage geht, wie sauber/schmutzig eine Disziplin ist. Und da sieht die Argumentation des Radsports derzeit so aus: Die ARD will von 2015 an wieder Live-Bilder von der Tour de France zeigen.
Mit dem Einstieg von Alpecin beim Rennstall Giant gibt es erstmals seit 2010 eine deutsche Firma, die ein Team der höchsten Division sponsert. Und zudem engagiert sich künftig der Küchengerätehersteller Bora bei einer oberbayerischen Zweitliga-Equipe, womit sich die Radsport-Fans bei den großen Rundfahrten 2015 auf gleich zwei „deutsche“ Teams freuen dürfen.
Wenn jetzt also Öffentlich-Rechtliche und Sponsoren wieder zurückkehren, dann ist doch wieder alles gut im Peloton nach all den Armstrong-, Ullrich-, Epo-Jahren, oder nicht?
Tja, leider nein. Dazu reicht ein Blick auf die vielen Dopingsanktionen des Jahres (von Alberto Contadors Edelhelfer Roman Kreuziger bis zu Italiens neuer Radsport-Hoffnung Diego Ulissi) und auf die vielen einschlägig vorbelasteten Herren, die immer noch als Ärzte, Betreuer, Sportliche Leiter im Feld zu finden sind. Zudem schwelen diverse Prozesse rund um den früheren Vorzeige-Betrüger Lance Armstrong, die noch manches hervorbringen dürften; kaum vorstellbar, dass sie lediglich Protagonisten betreffen, die das Peloton verlassen haben.
„Am liebsten würde ich vom Radsport wegrennen“
Tony Martins Goldmedaille im WM-Zeitfahren war so fest eingeplant wie der Anstich beim Oktoberfest, stattdessen wird der 29-Jährige Zweiter hinter dem Briten Bradley Wiggins. Die Niederlage könnte Martin aber nutzen. Von Johannes Knuth
Es gibt Anzeichen, dass die Manipulation nicht mehr so flächendeckend und strukturell geschieht – aber der Radsport muss mit dem Zweifel leben, weil die Verantwortlichen schon oft eine neue Mentalität beschworen haben, ohne dass sich wirklich etwas geändert hat.
Als Sauberkeitsnachweis dient die Rückkehr von Fernsehen und Firmen jedenfalls nicht. Doping bleibt ein Kardinal-Thema dieses Sports. Warum das Interesse trotzdem wächst? Nun, Deutschlands Radsportler wie Marcel Kittel oder John Degenkolb haben zuletzt herausragende Leistungen gezeigt – und Deutschland ist traditionell und trotz aller Dopingschatten ein riesiger und lukrativer Markt. Werbemaßnahmen sind gut angelegt. Noch immer interessieren sich viele Menschen für diesen Sport, die Quoten des Senders Eurosport bei der Tour waren gut. Auf den Straßen sind viele Hobbyradler unterwegs, früher in magentafarbenen Telekom – und hellblauen Gerolsteiner-Trikots – warum nicht bald im grauen Alpecin-Hemd?
„Doping für die Haare“, so lautet der bekannteste Werbespruch des Shampoo-Konzerns. Er will den Slogan zwar nicht in der Radsport-Kommunikation, aber auch weiterhin in der Werbung einsetzen. Das würde sich zum Beispiel im Reklameblock einer Tour-Etappe gut machen. Immerhin ist so gewährleistet, dass die Konnotation Radsport/Doping so schnell nicht verschwindet.
Deutsche Unternehmen kehren in den Radsport zurück
Ein Shampoo-Hersteller steigt als Titelsponsor bei der Giant-Mannschaft von Marcel Kittel und John Degenkolb ein. Es ist das erste Engagement eines deutschen Unternehmens dieser Größe im Radsport seit 2010.
Https://www. sueddeutsche. de/sport/betrug-im-radsport-alles-wieder-gut-von-wegen-1.2145349
Radsportlerin mit Elektromotor erwischt: Mit E-Doping schaufelt sich Radsport das eigene Grab
E-Doping im Radsport Wie sich eine Sportart ihr eigenes Grab schaufelt
Der im Rad einer Belgierin entdeckte Elektromotor bestätigt, was viele schon lange vermuten: Im Radsport werden nicht nur die Athleten, es wird auch das Material manipuliert. In Deutschland läuft der Sport so Gefahr, sich endgültig ins Aus zu befördern.
Dass die vor allem hierzulande stark in Verruf geratene Sportart so etwas wie eine zweite Chance auf Bewährung erhielt, verdankte sie auch der neuen Generation deutscher Fahrer. Profis wie John Degenkolb, Tony Martin, Marcel Kittel oder André Greipel gewinnen nicht nur Rennen, sondern – und damit aus deutscher (Medien-)Sicht noch wichtiger – sie positionieren sich auch vehement gegen Doping, welches, da sind sich Experten einig, weiterhin eine große Bedeutung hat.
Bestätigung, was viele längst vermuteten
Extra-PS im Fahrradrahmen Belgische Radsportlerin mit verstecktem Elektromotor erwischt
Seit dem vergangenen Wochenende schreibt der Radsport wieder einmal negative Schlagzeilen. Anders als bei den Skandalen zuvor geht es diesmal jedoch nicht um leistungssteigernde Substanzen, sondern um sogenanntes E-Doping: Hilfsmotoren am oder im Rad. Bei der Cross-Weltmeisterschaft in Zolder hatten Kontrolleure eine eben solche elektronische Antriebshilfe im Ersatzrad der belgischen Nachwuchsathletin Femke van den Driessche entdeckt. Verdächtige Kabel im Sattelrohr hatten die Prüfer veranlasst, die Rennmaschine des 19-jährigen Talents genauer zu begutachten. Letztlich stießen sie dabei auf das sorgfältig im unteren Teil des Rahmens versteckte Hilfsutensil.
Van den Driessche bestreitet, von dem Motor gewusst zu haben, und beteuerte unter Tränen, das Rad gehöre nicht ihr, sondern einem Freund. Ihre Mechaniker hätten es irrtümlicherweise für ihres gehalten, wodurch es ins Fahrerlager gelangt sei.
Auch wenn van den Driessche das getunte Gefährt nicht im Rennen einsetzte, ihr Fall bestätigt Vermutungen, die den Radsport schon seit Längerem begleiten: Dass längst nicht nur der Körper der Athleten, sondern auch das Material manipuliert wird. Bereits 2010 war beispielsweise dem mehrfachen Zeitfahr-Weltmeister Fabian Cancellara vorgeworfen worden, elektrische Antriebe zu benutzen. Beweisen konnte man es dem Schweizer nicht.
Weltverband UCI weiß um „technologischen Betrug“
Klassiker Vuelta Elektro-Motor für Rad-Stars? Böser Verdacht bei Spanien-Rundfahrt
Dass der Radsport-Weltverband die Gerüchte um E-Doping – zumindest inzwischen – ernst nimmt, bewies er Anfang vergangenen Jahres, als er seinen Strafenkatalog um den Punkt „technologischer Betrug“ erweiterte. Danach sollen erwischte Fahrer mit sofortiger Disqualifikation, einer anschließenden Sperre von mindestens sechs Monaten und Strafzahlungen belegt werden. Auch die Teams der Betrüger müssen seitdem mit Sperren und empfindlichen Geldstrafen zwischen 100.000 und einer Million Schweizer Franken rechnen.
Der nun entdeckte E-Dopingfall lässt indes umso mehr aufhorchen, weil es sich um Betrug im Nachwuchsbereich handelt. Dieser ist medial und für Sponsoren kaum von Interesse, auch verdienen nur die wenigsten Jungfahrer bereits Geld mit ihrem Sport. All das wirft die Frage auf: Wenn schon die Jüngsten ihre Rennräder aufmotzen (müssen), um mithalten zu können, was ist dann erst in der Eliteklasse gang und gäbe? Dort, wo die Besten Jahresgehälter im siebenstelligen Bereich kassieren und Unternehmen Millionenbeträge in ihre Rennställe pumpen.
Aus einem Durchschnittsprofi wird Superman
Glaubt man dem Rad-Experten Claudio Ghisalberti, Journalist der italienischen Sportzeitschrift Gazetto dello Sport, ist der nun bekannt gewordene Fall nur die Spitze des Eisbergs, die der Belgierin vorgeworfene Betrugsmasche (der Motor beschleunigt die Kurbel) zudem längst veraltet. Ein wie von van den Driessche „im Sitzrohr versteckter Motor ist altes Zeug, fast schon Handwerk“, zitiert Ghisalberti einen Insider der Szene. Die Methode sei überholt und ein „Arme-Leute-Doping“, führt die namentlich nicht genannte Quelle in dem Artikel aus. State of Art sei demnach eine im Hinterrad der federleichten Carbonrenner versteckte Technologie, die elektromagnetisch 20 bis 60 Watt Extraleistung produziere. Kostenpunkt: bis zu 200.000 Euro, behauptet der Insider.
Geld, das offenbar gut investiert ist. Die Technologie, die per Fernbedienung aktiviert werde, reiche jedenfalls aus, „um einen durchschnittlichen Radprofi in ein Phänomen zu verwandeln“. Allein 2015 habe er 1200 solcher Geräte verkauft. „Das System ist so perfekt ins Rad integriert, dass die Fahrer oft gar nicht begreifen, dass sie von einem Motor angetrieben werden“, berichtet er. „Oft denken sie, dass sie einfach einen tollen Tag erwischt haben.“
Eine dritte Chance bekommt der Radsport nicht
Die UCI bezeichnete den Vorfall von Zolder als „inakzeptabel“. Mit dem Fund des Hilfsmotors habe man ein klares Zeichen gesetzt, dass man Betrüger aufdecken könne und bestrafen werde. „Früher oder später werden sie für den Schaden bezahlen, den sie dem Sport zufügen“, betonte UCI-Chef Brian Cookson am Sonntag.
Es bleibt zu hoffen, dass der – zumindest in Sachen Dopingaufklärung – nicht immer sonderlich resolute Radsport-Weltverband seiner Kampfansage Taten folgen lässt. Denn sollte sich der Verdacht gegen van den Driessche bestätigen und schlimmer noch, weitere Skandale dieser Art folgen, droht es sich der Radsport nicht nur hierzulande endgültig mit seinen Fans zu verscherzen.
Eine dritte Chance werden Degenkolb, Martin und Co., sollte der Radsport weiter so offensichtlich am eigenen Grab schaufeln, vom deutschen Publikum ganz sicher nicht bekommen.
Radsport: Belgierin Femke van den Driessche mit Elektromotor erwischt
Extra-PS im Fahrradrahmen Belgische Radsportlerin mit verstecktem Elektromotor erwischt
Hindernisse, Schlamm, giftige Anstiege: Das Crossfahren gilt als besonders anstrengende Radsport-Disziplin. In der Rennmaschine einer Belgierin wurde nun ein verbotener Hilfsmotor entdeckt. Die 19-Jährige will davon nichts gewusst haben.
Mehreren belgischen und englischen Medienberichten zufolge wurde der im Rahmen versteckte Motor am Ersatzrad der belgischen U23-Meisterin und amtierenden Europameisterin Femke van den Driessche bei einem Routinecheck entdeckt. Das Fahrgerät sei daraufhin beschlagnahmt worden. Die 19-Jährige galt als eine der Mitfavoritinnen auf den WM-Titel, hatte das Rennen am vergangenen Samstag jedoch vorzeitig – wegen technischer Probleme – aufgegeben.
Van den Driessche gibt Mechanikern die Schuld
Klassiker Vuelta Elektro-Motor für Rad-Stars? Böser Verdacht bei Spanien-Rundfahrt
Inzwischen hat sich van den Driessche im Interview mit dem belgischen Sportsender „Sporza“ zu dem Vorfall geäußert. Die Vorwürfe bestritt die Nachwuchsfahrerin vehement und erklärte stattdessen unter Tränen, das Rad gehöre einem Freund, der ihr die Rennmaschine am Ende der Vorsaison abgekauft habe. „Es ist das gleiche, das ich fahre. Ein Mechaniker muss es verwechselt und für mich verstaut haben“, glaubt van den Driessche. Tatsächlich war das Betrugsrad im Rennen nicht zum Einsatz gekommen, sondern als Ersatzmaterial im Falle eines Defekts vorgesehen. Warum die Belgierin nach ihren technischen Problemen letztlich nicht darauf zurückgriff, war zunächst unklar.
Dafür lieferte die 19-Jährige eine Erklärung ab, wie das Rad in den Materialwagen gelangt sei. Demnach sollen ihr Bruder und besagter Freund den Parcours vor dem Rennen gemeinsam besichtigt haben. Anschließend sei das Rad an einem Team-Lkw abgestellt worden. „Meine Mechaniker haben es sauber gemacht und in den Lkw gepackt. Sie müssen geglaubt haben, dass es meines ist. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte“, sagte van den Driessche. Sie sei am Renntag nur auf sich konzentriert gewesen. Der Fehler liege daher allein bei den Mechanikern, beteuerte sie.
Der 19-Jährigen droht eine mindestens sechsmonatige Sperre sowie eine empfindliche Geldstrafe. Sie selbst fürchtet „das Ende meiner Karriere“. Sie hoffe aber, eine zweite Chance zu bekommen.
Nicht die erste Verdächtigung dieser Art im Radsport
Die UCI hatte erst Anfang des Vorjahres ihren Strafenkatalog um den Punkt „technologischer Betrug“ erweitert. Fahrer werden mit sofortiger Disqualifikation, einer anschließenden Sperre von mindestens sechs Monaten und Strafzahlungen belegt. Auch deren Teams würden sofort disqualifiziert und dürften mindestens sechs Monate nicht an Rennen teilnehmen. Die Geldstrafen bewegen sich zwischen 100.000 und einer Million Schweizer Franken.
Den Verdacht, dass im Radsport auch Hilfsmotoren zum Einsatz kommen, gibt es schon seit Längerem. Bereits 2010 war dem mehrfachen Zeitfahr-Weltmeister Fabian Cancellara vorgeworfen worden, elektrische Antriebe zu benutzen. Dies konnte aber nicht belegt werden. Damals hatte unter anderem ein Video seines Sieg beim Eintagesklassiker Paris-Roubaix für Aufruhr gesorgt. Darin (ab Minute 3:40) zieht der Schweizer in einer Situation scheinbar mühelos an der Konkurrenz vorbei.
Auch der Kanadier Ryder Hesjedal geriet während der Spanienrundfahrt 2014 unter Verdacht, seine Leistung mittels Elektroantrieb gesteigert zu haben. Stein des Anstoßes damals: Ein Video, das zeigt, wie sich das Hinterarrd von Hesjedals Rennmaschine nach einem Sturz weiter dreht und das Carbongefährt auf dem Boden liegend regelrecht kreiseln lässt.
Der Hilfsmotors im Rad van den Driessches war laut eines Berichts des deutschen Portals „Radsport News“ beim Entfernen der Sattelstütze aufgefallen. Nachdem die Kontrolleure im Sattelrohr versteckte Elektrokabel gefunden hatten, sollte demnach das Tretlager ausgebaut werden. Als dies nicht gelang, weil es offensichtlich fest hing, stieß man im unteren Teil des Rahmens auf die unerlaubte Hilfe.
UCI-Chef Cookson kündigt Betrügern den Kampf an
„Technologischer Betrug ist inakzeptabel. Wir wollen, dass die Minderheit, die vielleicht Betrug in Betracht zieht, das weiß“, twitterte UCI-Chef Cookson. Mit dem Fund des Hilfsmotors bei der WM habe der Verband ein klares Zeichen gesetzt. „Wir werden euch kriegen und wir werden euch bestrafen, weil unsere Technologie zur Entdeckung dieses Betrugs zu funktionieren scheint“, erklärte der Brite.
Schon in der vergangenen Saison hatte der Weltverband unangekündigte Tests bei den großen Straßenrennen vollzogen. Solche Kontrollen sind Cookson zufolge auch für dieses Jahr geplant. „Es kann sich niemand mehr verstecken. Früher oder später werden sie für den Schaden bezahlen, den sie dem Sport zufügen“, betonte Cookson.
DURCHLEUCHTET: Mit Röntgenstrahlen auf Betrügerjagd
DURCHLEUCHTET: Mit Röntgenstrahlen auf Betrügerjagd
Der Radweltverband UCI stellt eine neue Methode im Kampf gegen technisches Doping vor. Mit der Hilfe von Röntgengeräten, die in Bussen eingebaut sind, will der Verband gegen Betrüger vorgehen.
Die Fahrräder der Profis werden in Zukunft im Bus geröntgt, um technisches Doping auszuschliessen. (Bild: Salvatore die Nolfi/KEY)
Bisher wurden erst zwei Betrugsfälle aufgedeckt: Einer belgischen Radquerjuniorin und einem französischen Amateur ist sogenanntes Motordoping nachgewiesen worden. Trotzdem intensiviert die UCI den Kampf gegen den technischen Betrug und für das Image der Sportart. «Wir wollen Sportler vor Gerüchten schützen und ihre Resultate glaubwürdig machen», sagte UCI-Präsident David Lappartient an der Medienkonferenz. «Unser Ziel ist es, zu zeigen, dass es keinen Betrug gibt.» Den Kampf gegen technisches Doping hatte der Franzose nach seiner Wahl zum Präsidenten im letzten Herbst ganz oben auf seine Prioritätenliste gesetzt. In Genf präsentierte er einen kleinen Bus, in dem ein Röntgengerät installiert ist. Mit dem Bus will die UCI ab sofort an den Rennen die Räder unmittelbar nach der Zieldurchfahrt testen. Während die Fahrer die Dopingkontrollen über sich ergehen lassen, werden zeitgleich die Räder überprüft. Als Projektleiter stellte Lappartient seinen Landsmann Jean-Christophe Péraud an. Der ehemalige Zweite der Tour de France und WM-Zweite im Mountainbike hat sich während seiner Aktivzeit zum Ingenieur ausbilden lassen. Die UCI investierte rund 600000 Franken, um das Konzept mit der Röntgenkabine zu entwickeln. Die Busse sollen nicht nur auf der World Tour oder im Strassenradsport verwendet werden, sondern auch an Mountainbike-, Bahn – und Quer-Rennen. Bisher gab es zwei Methoden, um technische Hilfsmittel zu entdecken. Die UCI hatte auf Tablets gesetzt, um Räder zu scannen, das OK der Tour de France zusätzlich auf Wärmebildkameras. Beide Methoden wurden als ineffizient bezeichnet. Sollte die UCI einen Fahrer erwischen, droht ihm eine Sperre von sechs Monaten und eine Busse von mindestens 200000 Franken. Teams, bei denen der betroffene Fahrer angestellt ist, drohen Bussen in Millionenhöhe. (sda)
Https://www. tagblatt. ch/sport/durchleuchtet-mit-roentgenstrahlen-auf-betruegerjagd-ld.672214
Nachwuchssorgen Die Basis des deutschen Radsports bröckelt
Am Sonntagabend (03.07.2022) hat sich der Tross der Tour de France auf die 905 Kilometer lange Reise von Sønderborg, dem Zielort der 3. Etappe, nach Dünkirchen begeben, wo am Dienstag die 4. Etappe startet.
Der Umzug von Dänemark nach Frankreich ist mit großem Aufwand verbunden. Die Fahrer und ihre Entourage wurden mit fünf Charterfliegern ins Mutterland der Tour verfrachtet. Der Rest der gigantischen Reisegruppe begab sich auf der Autobahn über Hamburg und das Ruhrgebiet in Richtung Frankreich.
Nur neun deutsche Tourstarter
Der Weg führt durch ein Land, das große Sorgen hat, wenn es um den Radsport geht. Neun deutsche Radprofis gehören zum Tross der 109. Ausgabe der Tour. So wenige waren es zuletzt im Jahr 2000, sieben Jahre später waren 19 Deutsche dabei – ein Spitzenwert. „Ich glaube, dass das schon Teil einer Entwicklung ist“ , sagt Jonas Rutsch vom Team EF Education-Easy Post, einer der neun aktuellen Tourstarter.
Die neun deutschen Tour-Starter und ihre Ziele
Es gab jedoch seit 2007 Jahre, in denen auch mal nur zehn deutsche Fahrer in Frankreich unterwegs waren. Ein Trend lässt sich also nicht zwangsläufig an der Anzahl der Fahrer mit deutschem Pass ablesen. Wo genau also steht der Radsport hierzulande? Woran fehlt es? „Grundsätzlich fehlt es uns in der Breite“ , sagt Ralph Denk, der Teamchef des deutschen World-Tour-Teams Bora-hansgrohe. „In der Spitze sieht es noch ganz gut aus.“
Generation Jan Ullrich
Die aktuelle Generation deutscher Radprofis hat zu einem großen Teil in ihrer Kindheit und Jugend noch die Ausläufer des Radsport-Booms miterlebt, den der Toursieg von Jan Ullrich vor 25 Jahren auslöste. „Jan Ullrich hat meine Kindheit geprägt“ , sagt der deutsche Meister Nils Politt, 28.
Vielen Kindern und Jugendlichen ging es damals wie John Degenkolb. „Jan Ullrich war mit einer der Gründe, warum ich mit dem Radfahren angefangen habe“ , sagt der 33 Jahre alte Profi vom Team DSM. Die von Ullrichs Erfolg zum Radsport gelockten Nachwuchsfahrer fanden zahlreiche Rennen vor, wo sie sich von Beginn an messen konnten.
Sportschau-Podcast Jan Ullrich. Held auf Zeit
Juli 1997: Jan Ullrich gewinnt die Tour de France. Doch anschließend folgt eine Abwärtsspirale. Die fünfteilige Podcast-Reihe zeichnet Ullrichs Lebensweg nach. ardaudiothek
Immer weniger Jugendfahrer
Doch mit den großen Dopingskandalen 2006 bis 2008 und dem Sturz des nationalen Radsporthelden Ullrich wandte sich nicht nur ein Großteil des Publikums von der Tour de France ab, sondern auch viele Sponsoren, die zuvor lokale Rennen unterstützt hatten. Und der Radsport verlor dazu seine Faszination. Nach Angaben des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) betrug die Zahl der Rennlizenzen im Jahr 2006 allein in der U19-Klasse noch 1.054. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 369. Ein dramatischer Rückgang.
Natürlich wäre es zu einfach, den Rückgang an jungen Radsportlern alleine auf die Dopingskandale im Profiradsport zu schieben. Radsport ist teuer, zeitintensiv und schmerzhaft. „Es ist ein harter Sport. Und ich beobachte in meinem Umfeld, dass es heutzutage oft so ist: Wenn es ein bisschen wehtut, lasse ich es lieber und mache vieleicht eine andere Sportart“ , sagt Rutsch. „Es fehlt der Biss.“
Der Radsport ist mit seinen Nachwuchssorgen jedoch nicht alleine. Viele Sportarten klagen schon lange darüber, dass sie die Jugendlichen nicht mehr erreichen. Das hat ganz unterschiedliche Gründe, Ganztagsschule und Ablenkung durch digitale Angebote gehören dazu. Die Corona-Pandemie und die vorübergehende Schließung des Vereinssports haben diese Nöte noch vergrößert.
30 Prozent weniger Rennen
Hinzu kommt eine gesellschaftliche Entwicklung, in der der organisierte Sport ganz allgemein an Boden verliert. Im Mai konstatierte der Vorstandsvorsitzende des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaften (IAT), Prof. Martin Engelhardt, dass „die Begeisterung für den Sport und den Hochleistungssport wieder in die Gesellschaft getragen werden“ müsse. Diesbezüglich haben wir große Probleme im Vergleich zu anderen Nationen“ .
Diese Begeisterung zu erzeugen, geht aber nur, wenn dafür Möglichkeiten geschaffen werden können. Fast jeder, mit dem man über den Zustand des deutschen Straßenradsports spricht, beklagt, dass es zu wenige Rennen gibt. „Als ich jung war, konnte ich an jedem Wochenende im Umkreis von 100 Kilometern drei Rennen fahren. Heute gibt es manchmal im Umkreis von 300 Kilometern gar kein Rennen“ , sagt der Sportschau-Experte Fabian Wegmann. Das deckt sich mit den Zahlen des BDR. Dort schätzt man, dass die Zahl der Rennveranstaltungen in den vergangenen 15 Jahren um rund 30 Prozent zurückgegangen ist.
Hoher Aufwand für Radrennen
Wegmann weiß aus eigener Erfahrung auch, wie schwer es ist, in Deutschland ein Radrennen auf die Straße zu bringen. Der 42 Jahre alte ehemalige Radprofi ist auch Direktor der Deutschland-Tour und kämpft Jahr für Jahr darum, eine Strecke zu entwerfen. Viele Kommunen scheuen den Aufwand, den es erfodert, Straßen für ein Radrennen abzusperren.
„Das größte Problem sind die Kosten“ , sagt Wegmann. „Es gab in den letzten Jahren immer höhere Sicherheitsauflagen, das kostet Geld, und viele Kommunen können das nicht bezahlen. Und dann gibt es das Problem der Haftbarkeit, das Risiko wollen viele nicht eingehen. “ Das gilt auch für kleinere, lokale Rennen. Für die habe sich das nötige Budget teilweise verzehnfacht, weiß Wegmann.
Hilferuf an die Politik
Auch Ralph Denk beklagt die hohen Hürden, denen Veranstalter von Straßenrennen heutzutage ausgesetzt sind. „Ich war vergangene Woche bei einem regionalen Kids-Cup im Mountainbike. Da waren 300 Teilnehmer im Alter von sieben bis 15“ , erzählt Denk. „Das ist natürlich viel einfacher zu organisieren als ein Straßenrennen, aber ich bin schon der Meinung, dass der Verband gemeinsam mit der Politik Lösungen finden muss, dass auch Straßenrennen wieder einfacher zu organisieren sind.“ BDR-Präsident Rudolf Scharping hat schon einen Vorstoß bei der Bundesinnenministerkonferenz gemacht. Ohne Ergebnis. „Wir brauchen die Politik“ , sagt auch Wegmann.
Hindleys Giro-Sieg weckt Sponsoren-Interesse
Teammanager Denk hat zumindest für den Profiradsport einen Hoffnungsschimmer ausgemacht. Nach dem Geamtsieg seines Fahrers Jay Hindley beim Giro d’Italia hätten auch deutsche Firmen bei ihm angeklopft und ihr Interesse an Sponsoring im Radsport angemeldet. Obwohl Hindley als Australier sich nicht zwingend auch in Deutschland gut vermarkten lässt.
Viele Firmen, die als potenzielle Sponsoren infrage kommen, sind international tätig. So wie auch die beiden derzeitigen Geldgeber, die Denks Team unterstützen. Entsprechend ist auch seine Équipe nicht nur national ausgerichtet. „Der deutsche Radsport ist wichtig, die besten deutschen Fahrer sollen für Bora-hansgrohe fahren“ , sagt Denk. „Aber ich will trotzdem betonen, dass wir keine Nationalmannschaft sein wollen.“
Ein deutscher Profi, der bei der Tour de France um den Gesamtsieg mitfahren könnte, würde natürlich helfen, damit der Radsport hierzulande wieder auf die Beine kommt. Doch ein solcher ist nicht in Sicht. „Ich sehe keinen um die Ecke kommen, der sich da aufdrängt“ , sagt Denk, dessen Team bei der Tour vom Russen Alexander Vlasov angeführt wird. Angesichts der Nachwuchssorgen des Radsports hierzulande ist auch nicht zu erwarten, dass sich das bald ändern wird. „Wir fischen“ , sagt Denk, „in einem kleinen Becken.“