Umweltschonend und gut für die Gesundheit – die Deutschen lieben das Fahrradfahren und der Wegfall von Freizeitmöglichkeiten durch die Corona-Einschränkungen verstärkte den Trend der letzten Jahren noch einmal. Im Jahr 2022 ist der Bestand an Fahrrädern in Deutschland mit rund 82,8 Millionen so hoch wie nie zuvor. Besonders der Absatz von Elektrofahrrädern ist den vergangenen Jahren in Deutschland angestiegen.
Die Deutschen bevorzugen Trekking-Fahrräder
Die beliebteste Modellgruppe bei Käufern von nicht-elektrischen Fahrrädern in Deutschland sind die sogenannten Trekking-Räder. Bei Trekking-Rädern handelt es sich um Fahrräder mit Vollausstattung, welche sowohl auf der Straße als auch im leichten Gelände genutzt werden können. Da sie in der Regel mit einem Gepäckträger ausgestattet sind, eignen sie sich daher besonders gut für längere Radtouren, bei denen auch Gepäck mitgeführt wird. Ein großer Anteil der in Deutschland verkauften Fahrräder stammt aus ausländischer Produktion, die meisten davon aus Kambodscha.
Deutsche Städte investieren vergleichsweise wenig
Das Fahrrad dient nicht nur zu Sport – und Freizeitzwecken, sondern ist beispielsweise in Großstädten auch eine Alternative um Verkehrsstaus zu umgehen. Die benötigte Infrastruktur weist aber nicht immer die gewünschte Qualität auf, entsprechend wird der Zustand und der Verlauf der Radwege häufig kritisiert. Die getätigten Investitionen fallen im Vergleich mit anderen europäischen Metropolen deutlich ab.
Wie viele Menschen fahren in Deutschland mit dem Fahrrad
Für Radfahrende ist die Infrastruktur in Deutschland noch stark ausbaufähig. Laut ökologischem Verkehrsclub Deutschland (VCD) haben bislang nur rund 30 Prozent aller Landstraßen einen Radweg. Für einen attraktiveren Radverkehr fehle es häufig nicht an Geld – oft erschweren gesetzliche Regelungen die Umsetzung von Projekten.
Stellen Sie sich vor: Sie fahren mit dem Auto auf einer Straße und vor Ihnen türmen sich armdicke Baumwurzeln auf. Dann wieder müssen Sie knöcheltiefen Schlaglöchern ausweichen. Der Fahrbahnbelag wechselt mehrfach von Asphalt auf Pflasterstein. Ständig müssen Sie damit rechnen, dass Fußgängerinnen und Fußgänger auf die Straße treten, Fahrzeugtüren aufschlagen, Ihnen die Vorfahrt genommen wird oder Mülleimer und Laternenmasten im Weg stehen. Und plötzlich hört die Straße einfach auf.
Situation ist historisch gewachsen
Undenkbar? Für den Autoverkehr schon. Für Radfahrende ist das aber Normalität. „Von einigen Lichtblicken abgesehen, rangiert die Radinfrastruktur in Deutschland irgendwo zwischen gerade noch akzeptabel, gruselig und unzumutbar“, kritisiert Stephanie Krone, Pressesprecherin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Eine entsprechend schlechte Gesamtnote, nämlich eine vier, vergaben die Radfahrenden im Fahrradklimatest vor zwei Jahren. Der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) äußert ebenfalls Kritik: „Die größten Schwächen der Radverkehrsinfrastruktur sind unvollständig ausgebildete Netze und Sicherheitsdefizite im Bereich der Knotenpunkte. Aber auch schmale Radwege sind vielerorts ein Problem“, sagt Sprecher Andreas Hölzel.
Diese Situation sei historisch gewachsen, erklärt Anika Meenken vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland VCD. Jahrzehntelang wurde der Ausbau der Radinfrastruktur stiefmütterlich behandelt. Öffentliche Gelder flossen überwiegend in den motorisierten Individualverkehr. Die Menschen sollten schnell und komfortabel mit dem eigenen Auto in die Zentren gelangen. „Nur rund 30 Prozent aller Landstraßen in Deutschland besitzen einen Radweg“, sagt Meenken. Hinzu kommt: Die bestehende Radinfrastruktur ist weder für den wachsenden Radverkehr, noch für schnelle E-Räder oder breite Lastenräder und Anhänger ausgelegt.
ADFC: getrennte Ampelschaltungen an Kreuzungen
Doch spätestens seit der Klimadebatte und der inzwischen politisch gewollten Verkehrswende rückt der Radverkehr stärker in den Fokus. Städte wie Paris und Barcelona zeigen, dass ein Wandel möglich ist – auch in kurzer Zeit. Verbesserungen, die sofort greifen, seien etwa Pop-up-Radwege, die auf Spuren für den Autoverkehr eingerichtet werden, sagt Krone. Sie sollten zunächst etwa durch Poller geschützt und anschließend dauerhaft baulich abgetrennt werden. Auch modale Filter, die nur Radverkehr durchlassen, seien vergleichsweise leicht umzusetzen. Hölzel regt zudem die Einrichtung von Fahrradstraßen an. Diese könnten insbesondere in Wohngebieten eine sinnvolle Lösung sein.
Der ADFC schlägt darüber hinaus an Kreuzungen getrennte Ampelschaltungen und an Einmündungen Aufpflasterungen und Markierungen in Form von Haifischzähnen vor. „Auch durch die Einführung von Tempo 30 innerorts wie in Spanien und vielen Städten Frankreichs können Kommunen viel mehr Lebensqualität und sichereren Radverkehr ermöglichen“, betont Krone. Bundesweit haben sich dafür bereits rund 90 Kommunen ausgesprochen. In Tempo-30-Zonen könnten Radfahrende je nach Verkehrsdichte immer auch auf der Straße fahren, erklärt Meenken. Weil langsamere Autos weniger Platz benötigten, gewännen Städte dringend benötigten Raum.
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Bund hat millionenschwere Fördertöpfe eingerichtet
Die Flächenverteilung birgt eines der größten Konfliktpotenziale bei der Verkehrswende. Denn viele Verbesserungen für den Radverkehr gehen zulasten des Autoverkehrs, weil Fahrspuren umgewidmet werden oder Parkplätze entfallen. Andererseits spiegelt die derzeitige Flächenverteilung in vielen Städten nicht annähernd den Anteil der Verkehre wider: So stehe dem Radverkehr in Berlin innerhalb des S-Bahn-Rings nur 3 Prozent der Verkehrsfläche zur Verfügung, sein Anteil am Gesamtverkehr belaufe sich aber auf 15 Prozent, erklärt Meenken. Beim Autoverkehr, der etwa 30 Prozent ausmache, sei das Verhältnis umgekehrt: Hierfür betrage der Anteil der Fläche 60 Prozent.
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Gute Radfahrinfrastruktur sollte nach Ansicht von Expertinnen und Experten ein flächendeckendes Netz bieten und durchgängig ein sicheres und zügiges Vorankommen ermöglichen. Der Bund hat dafür im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplans millionenschwere Fördertöpfe eingerichtet – insbesondere für den Bau von Radschnellwegen und die Sanierung von Radwegen. Über das Sonderprogramm Stadt und Land wird erstmals die Radinfrastruktur in Kommunen gefördert. Finanziert werden auch Best-Practise-Projekte wie eine Fahrradbrücke am Frankfurter Flughafen oder ein vollautomatisches Doppelturm-Fahrradparkhaus in Osnabrück, erklärt ein Sprecher des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV).
Straßenverkehrsordnung muss reformiert werden
Der ADFC fordert noch deutlich größere finanzielle Anstrengungen: „Für einen attraktiven Radverkehr ist ein Radverkehrsbudget von mindestens 30 Euro pro Einwohner und Jahr notwendig“, heißt es in einer Broschüre. Das entspricht rund 2,5 Milliarden Euro im Jahr. Zum Vergleich: In den Straßenverkehr investiert allein der Bund jährlich rund 8,5 Milliarden Euro. Häufig mangele es allerdings nicht an Geld, sondern erschwerten gesetzliche Regelungen die Umsetzung von Projekten, kritisiert Krone: „Die politisch gewünschte, schnelle Verdoppelung des Radverkehrs wird durch das überholte Straßenverkehrsgesetz blockiert.“
Vor allem die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) seien veraltet, ergänzt Hölzel. Darin seien neue Erkenntnisse aus der Forschung und Entwicklungen im Radverkehr nicht berücksichtigt. „Zudem fehlt es diesem Regelwerk aufgrund der nicht bundesweit einheitlichen Einführung und der fehlenden Einstufung als Richtlinie an Rechtsverbindlichkeit.“ Die Straßenverkehrsordnung müsse ebenfalls dringend reformiert werden, fordert Meenken. Sie ist davon überzeugt, dass der Radverkehr weiter zunimmt, sobald sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen und damit die Infrastruktur verbessert. Temporäre Modellversuche trügen dazu bei, die Menschen mitzunehmen: „Dann werden aus Gegnern oft Befürworter“, so ihre Erfahrung.
Zahl der E-Bikes in Privathaushalten 2021 um 1,2 Millionen gestiegen
WIESBADEN – Während der Corona-Pandemie wurden in Deutschland vermehrt Elektrofahrräder beziehungsweise E-Bikes gekauft. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, standen zum Jahresanfang 2021 in den privaten Haushalten in Deutschland rund 1,2 Millionen und damit 20 % mehr Elektrofahrräder als im Vorjahr. So gab es Anfang 2021 rund 7,1 Millionen Elektrofahrräder in den Haushalten (Anfang 2020: 5,9 Millionen). Diese verteilten sich auf knapp 5,1 Millionen Haushalte (2020: 4,3 Millionen). Damit besaß rund jeder achte Haushalt (13 %) in Deutschland mindestens ein Elektrofahrrad. Anfang 2020 war es noch jeder neunte Haushalt (11 %).
Während 2021 in knapp zwei Dritteln (63 %) der E-Bike-Haushalte jeweils ein Exemplar stand, besaß gut jeder dritte dieser Haushalte (34 %) zwei Elektrofahrräder. Nur knapp 3 % verfügten über drei oder mehr E-Bikes.
Mit steigendem Haushaltseinkommen steigt die Ausstattung mit Gebrauchsgegenständen, so auch der Anteil der Haushalte mit Elektrofahrrad. In den Haushalten mit monatlich weniger als 2 500 Euro Haushaltsnettoeinkommen verfügte rund jeder elfte Haushalt (9 %) über ein Elektrofahrrad. In den Haushalten mit monatlich mehr als 3 500 Euro Einkommen gab es in jedem fünften Haushalt (20 %) mindestens ein Elektrofahrrad.
Insgesamt besaßen Anfang 2021 rund 30 Millionen Haushalte Fahrräder oder Elektrofahrräder. Das entsprach 79 % aller Haushalte in Deutschland.
Datengrundlage sind die Laufenden Wirtschaftsrechnungen (LWR) 2021. Ergebnisse für Haushalte, deren regelmäßiges monatliches Nettoeinkommen 18 000 Euro und mehr beträgt, bleiben in den LWR unberücksichtigt, da diese nicht beziehungsweise in viel zu geringer Zahl an der Erhebung teilnehmen. In die LWR werden nach den gesetzlichen Vorgaben Haushalte von Selbstständigen (Gewerbetreibende und selbstständige Landwirte und Landwirtinnen sowie freiberuflich Tätige) nicht einbezogen. Die Angaben zur Ausstattung mit Gebrauchsgütern beziehen sich auf den Stichtag 1. Januar des Erhebungsjahres. Unter Elektrofahrrad beziehungsweise E-Bike werden Fahrräder mit unterstützendem Elektromotorantrieb ohne Führerscheinpflicht (Pedelecs) verstanden.
Weitere Ergebnisse aus den Laufenden Wirtschaftsrechnungen (LWR) sowie methodische Erläuterungen und Publikationen sind auf der Themenseite „Ausstattung mit Gebrauchsgütern“ verfügbar.
Umfrage zur Mobilität : Mehr Leute fahren Fahrrad
In der Coronakrise haben mehr Leute das Rad genommen und wollen es auch danach nutzen. Weniger fliegen wollen einer Umfrage zufolge aber nur wenige.
Breite Radwege müssen her! RadfahrerInnen auf der A49 bei einer Demo für den Dannenröder Forst Foto: Swen Pförtner/dpa
BERLIN | Der Anteil der BürgerInnen, die das Rad nutzen, ist im vergangenen Jahr coronabedingt von 17 Prozent auf 22 Prozent gestiegen. Das geht aus dem Mobilitätsmonitor 2020 hervor, den das Institut für Demoskopie Allensbach am Dienstag vorgestellt hat. Beim Auto ist die Lage nicht einheitlich: Während 30 Prozent der 1.237 im Juli Befragten angaben, dass sie es weniger nutzen, erklärten 13 Prozent, dass sie mehr fahren.
In der Krise zeige sich eine deutliche Verringerung des Mobilitätsradius, sagte Renate Köcher, Geschäftsführerin des Allensbacher Instituts. Fast die Hälfte der BürgerInnen unternimmt weniger Reisen, 40 Prozent verzichten auf Auslandsaufenthalte und 39 Prozent aufs Fliegen. Wer mehr mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs ist, will auch nach der Krise daran festhalten. Dagegen wollen nur wenige künftig weniger fliegen oder Auto fahren.
Laut der Umfrage erwartet mehr als jedeR zweite BürgerIn, dass sich künftig die Elektromobilität durchsetzt. Gewünscht wird das aber nur von 24 Prozent der Befragten. Ein genauso hoher Anteil zieht die Anschaffung eines E-Autos in Betracht. Das waren zwar 3 Prozentpunkte mehr als im vergangenen Jahr, aber deutlich weniger als 2011, als noch für 28 Prozent ein E-Auto infrage kam. „Die E-Mobilität wird kein Selbstläufer sein“, sagte Köcher. Die Skepsis gegenüber dieser Technik hat zugenommen: 59 Prozent bezweifeln, dass E-Autos tatsächlich eine umweltfreundliche Alternative sind, 2019 waren es 48 Prozent. Zu den Gründen, aus denen BürgerInnen E-Autos kritisch sehen, gehören auch hohe Anschaffungskosten, fehlende Ladeinfrastruktur und niedrige Reichweiten.
Umwelt – und Klimaschutz gehört weiterhin zur Top Ten der wichtigsten Anliegen der BürgerInnen. „Das ist bemerkenswert in diesem Jahr, in dem das Thema in der öffentlichen Diskussion in den Hintergrund gedrängt worden ist“, sagte Köcher.